NVL Chronische Herzinsuffizienz, Version 4

6 Medikamentöse Therapie (2023)

Hinweis zum Off-Label-Use

ACHTUNG: Unabhängig von den Empfehlungen gilt die jeweilige Fachinformation (Indikationen, Kontraindikationen, Dosierung u. a.). Ggf. müssen die Off-Label-Use-Kriterien berücksichtigt werden:

  • nachgewiesene Wirksamkeit;
  • günstiges Nutzen-Risiko-Profil;
  • fehlende Alternativen – Heilversuch.

Ein Off-Label-Use ist dementsprechend nur bei schwerwiegenden Erkrankungen zulässig, wenn es keine Be-handlungsalternative gibt. Nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse muss die begründete Aussicht bestehen, dass die Behandlung zu einem Erfolg führt. Darüber hinaus besteht eine besondere Aufklärungsverpflichtung. Die Patient*innen sind auf den Umstand des Off-Label-Use und daraus resultierende mögliche Haftungskonsequenzen hinzuweisen. Eine gemeinsame Entscheidungsfindung ist notwendig.

6.1 Medikamentöse Therapie bei Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFrEF)

Abbildung 6: Medikamentöse Behandlung der Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF)

6.1.1 Prognoseverbessernde Medikation

Empfehlung

6-1 | e | neu 2023

Symptomatischen Patient*innen mit HFrEF soll eine Kombination aus prognoseverbessernder Medikation gemäß Tabelle 16 empfohlen werden.

Die Auswahl, Reihenfolge und Dosierung der Substanzklassen soll sich am Nebenwirkungsspektrum, an den jeweiligen Komorbiditäten und der individuellen Verträglichkeit orientieren.

Starke Empfehlung

6-2 | e | neu 2023

Patient*innen mit HFrEF, die noch nicht alle prognoseverbessernden Substanzen erhalten und die weiterhin symptomatisch sind, soll unter Berücksichtigung individueller Therapieziele, Komorbidität und Verträglichkeit eine weitere Therapieintensivierung empfohlen werden.

Starke Empfehlung

Tabelle 16:  Kriterien zur Auswahl der prognoseverbessernden Substanzklassen bei HFrEF

Substanz­klasse

getestet gegen/im Vergleich zu

Mortalität, Hospitalisierungen

langfristige renale Endpunktea

Hypo­tonie­risiko

Diuretika­gebrauch

weitere Anwendungsgebiete unter Berücksichtigung der NVL KHK, NVL Diabetes und NVL Hypertonie

wichtige Kontraindikationen und Sicherheitshinweise

RASi

ACEi

Placebo auf Basis von Digitalis u. a.

(↔)b

(↔)

  • arterielle Hypertonie
  • nach Myokardinfarkt
  • chronische Nierenerkrankungen, insb. diabetische Nephropathieb
  • Hypotonie
  • Hyperkaliämie
  • Angioödem
  • Hustenc

ARB

Placebo

(↔)b

(↔)

ACEi

(↔)

(↔)

ARNI

ACEi/ARB auf Basis von BB (+MRA), nach Vortherapie mit ACEi/ARB

(↓)

 

  • Vorsicht bei eGFR < 30 ml/min/1,73 m2
  • Hypotonie (nicht beginnen bei SBP < 100 mmHg)
  • Hyperkaliämie (nicht beginnen bei K > 5,4 mmol/l)
  • Angioödem

BBd

Placebo auf Basis von ACEi/ARB (+Digitalis)

(↔)

(↔)

  • nach Myokardinfarkt
  • A. pectoris
  • Tachyarrhythmien
  • Bradykardie
  • AV-Block
  • Hypotonie (kontraindiziert bei SBP < 90 mmHg)

MRAe,f

Placebo auf Basis von RASi+BB

?

  • therapieresistente Hypertoniee
  • nephrotisches Syndrome
  • primärer Hyperaldosteronismuse
  • Ausgleich des kaliuretischen Effekts von Diuretikag
  • kontraindiziert bei eGFR < 30 ml/min/1,73 m2 und/oder Serum-Kreatinin > 1,8 mg/dl
  • Hyperkaliämie, Hyponatriämie
  • Hypotoniee
  • Gynäkomastiee
  • gastrointestinale Nebenwirkungenf

SGLT2ih,i

Placebo auf Basis von RASi+BB (+MRA)

  • Typ 2-Diabetes
  • chronische Nierenerkrankungen
  • nicht beginnen bei eGFR <25h/20i ml/min/1,73 m2
  • urogenitale Infektionen
  • atypische Ketoazidose (Risiko erhöht bei Diabetes mellitus und akuten Erkrankungen)

Die Tabelle enthält eine stark vereinfachte Darstellung der Evidenz sowie der von der Leitliniengruppe getroffenen Auswahl von Anwendungsgebieten, Kontraindikationen und Nebenwirkungen der bei Herzinsuffienz relevanten Wirkstoffe. Für die ausführliche Beschreibung der Evidenz mit Effektmaßen und Aussagesicherheit siehe Hintergrundtexte und Evidenztabellen; für die vollständige Darstellung der Indikationen, Kontraindikationen und Nebenwirkungen siehe Fachinformationen der einzelnen Wirkstoffe sowie Empfehlungen der NVL Typ-2-Diabetes 33457, NVH Chronische KHK 32745 und NVL Hypertonie 33448. CAVE: Für einige Wirkstoffe der aufgeführten Substanzklassen liegt keine Zulassung für die Behandlung von Herzinsuffizienz vor bzw. nicht für alle klinischen Settings im Rahmen der Behandlung von Herzinsuffizienz (Off-Label- Use).

Legende: ↓ Endpunkt seltener erreicht; ↑ Endpunkt häufiger erreicht; ↔ neutraler Effekt; ? keine ausreichende Evidenz aus Herzinsuffizienz-Studien; () Angaben in Klammern: aus Studien zu Herzinsuffizienz keine bzw. methodisch schwache Evidenz aus Subgruppenanalysen;

Anmerkungen: a RASi, MRA und SGLT2i können kurzfristig einen hämodynamisch bedingten Kreatininanstieg auslösen, der in der Regel aber keine struktuelle Nephrotoxizität reflektiert. b in Studien zu Herzinsuffizienz keine Effekte, jedoch in Studien zu chronischen Nierenerkrankungen Reduktion renaler Endpunkte; c nur ACEi; dBisoprolol, Carvedilol, Metroprolol, Nebivolol; e Spironolacton; CAVE: keine ausdrückliche Zulassung für Herzinsuffizienz; f Eplerenon; g klinisch relevanter Aspekt, keine Zulassung; h Dapagliflozin; i Empagliflozin

Abkürzungen: ACEi Angiotensin Converting Enzyme-Inhibitoren; ARB Angiotensinrezeptorblocker; ARNI Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren; BB Betarezeptorenblocker; eGFR geschätzte glomeruläre Filtrationsrate; MRA Mineralokortikoidrezeptorantagonisten; RASi Renin-Angiotensin-System-Inhibitoren; SGLT2i Sodium dependent glucose co-transporter 2 Inhibitoren; K Kalium; SBP systolischer Blutdruck

 

RationaleRationale

Für die vier Substanzklassen RAS-Inhibitoren (RASi; bei ARNI in Kombination mit Neprilysininhibition), Betarezeptorenblocker (BB), Mineralokortikoidrezeptorantagonisten (MRA) sowie SGLT2-Inhibitoren (SGLT2i) sind mit hoher oder moderater Aussagesicherheit Effekte auf die Gesamtsterblichkeit, die Rate der Krankenhauseinweisungen sowie weitere patientenrelevante klinische Endpunkte nachgewiesen. Die Wirksamkeit von SGLT2-Inhibitoren (und damit einer Vierfachkombination) wurde bei Patient*innen mit einer leitliniengerechten Vorbehandlung der HFrEF mit RASi, BB und ggf. MRA geprüft.

Bei Patient*innen, die bereits wegen Herzinsuffizienz stationär behandelt werden mussten sowie bei symptomatischen Patient*innen ohne vorangegangene Hospitalisierung empfiehlt die Leitliniengruppe den Einsatz aller vier prognoseverbessernden Substanzklassen, sofern dies mit den individuellen Therapiezielen, Komorbidität und individueller Verträglichkeit vereinbar ist.

Hingegen besteht in der Leitliniengruppe kein Konsens dazu, ob bei Patient*innen mit stabiler de novo Herzinsuffizienz NYHA II in jedem Fall das Ziel eine Vierfachtherapie sein sollte oder ob eine weniger intensive, symptom- und progressionsorientierte Stufentherapie ausreichend ist, beginnend mit zwei prognoseverbessernden Substanzen, sofern die Patient*innen damit NYHA I erreichen. Für eine initiale Vierfachkombination liegt keine direkte Evidenz vor und Vergleiche mit der bisher empfohlenen Stufentherapie konnten nicht identifiziert werden, so dass aus der Evidenz zu den einzelnen Substanzen extrapoliert werden muss.

  • Für eine frühzeitige Initiierung der Vierfachkombination spricht die Annahme, dass es sich dabei möglicherweise um die prognostisch günstigste Therapie handelt. Diese Annahme basiert darauf, dass sich die Effekte der einzelnen Wirkstoffklassen zumindest teilweise addieren und ist auch pathophysiologisch plausibel (Kombination mehrerer Wirkmechanismen). Zudem könnten Patient*innen von einer früh eingesetzten Vierfachkombination eher profitieren, da angenommen wird, dass bei ihnen die strukturellen und funktionellen Veränderungen des Myokards ggf. aufgehalten bzw. sogar rückgängig gemacht werden können (reverse remodeling).
  • Gegen eine initiale Vierfachkombination und für eine an der Symptomatik und Progression orientierte Stufentherapie sprechen bei weniger kranken Patient*innen vor allem Bedenken bezüglich Nebenwirkungen und Übertherapie: In die Studien zu SGLT2-Inhibitoren waren vorbehandelte Patient*innen mit erhöhtem Progressionsrisiko eingeschlossen, so dass eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit der prognostischen Endpunkte vorlag und daher größere Effekte erreicht werden konnten. Hingegen ist nicht sicher, ob der prognostische Vorteil bei therapienaiven und/oder weniger kranken Patient*innen ähnlich relevant ist. Direkte Evidenz zu dieser Frage wurde nicht identifiziert; die Aussagesicherheit der Evidenz für diese Patient*innen ist wegen Indirektheit geringer (moderat). Außerdem zeigten sich sowohl in den klinischen Studien, vor allem aber in der ambulanten Versorgungspraxis Sicherheitsprobleme, wenn alle Substanzen gleichzeitig initiiert werden.

Wahl der Substanzen: Für den Fall, dass bei de novo chronisch stabilen Patient*innen mit NYHA II die Entscheidung für eine Stufentherapie fällt, stellt die Leitliniengruppe die Wahl der initialen zwei Substanzen ausdrücklich frei. In der Versorgungspraxis dürfte in der Regel mit RASi+Betablockern begonnen werden (direkte Evidenz vorhanden), es sei denn, es bestehen entsprechende Kontraindikationen. Der initiale Einsatz von SGLT2-Inhibitoren erscheint der Leitliniengruppe insbesondere bei Bestehen von Koindikationen wie Diabetes oder Nierenerkrankungen sinnvoll, aber auch bei hohem Progressionsrisiko oder wenn Kontraindikationen gegen andere prognoseverbessernde Sustanzgruppen bestehen. Für eine Behandlung mit SGLT2-Inhibitoren ohne RASi+Betablocker liegt zwar bislang keine Evidenz für Herzinsuffizienz vor (sondern nur für Diabetes). Es ist aber unklar, ob auch RASi+SGLT2-Inhibitoren oder Betablocker+SGLT2-Inhibitoren bereits effektiv wären. Wenn auch nur in seltenen Fällen, so ist aus Sicht der Leitliniengruppe selbst eine primäre Kombination von SGLT2-Inhibitoren und MRA denkbar. Die Empfehlungen lassen daher bewusst Handlungsspielraum bezüglich der Anzahl und Art der eingesetzten Substanzklassen, vorausgesetzt, dass sich die Behandlung an patientenrelevanten Kriterien orientiert.

Wahl des RASi: Die Leitliniengruppe sieht in Übereinstimmung mit internationalen Leitlinien 33379, 33380, 33883 ARNI in erster Linie als Ersatz für ACEi bei Patient*innen, die unter Therapie mit ACEi, Betablockern und MRA symptomatisch bleiben bzw. progredient sind, da direkte Evidenz mit moderater Aussagesicherheit nur für dieses Setting existiert und weil die Hinzunahme der neprilysininhibierenden Komponente eine Therapieintensivierung darstellt. Gemäß Zulassung können ARNI prinzipiell auch als initiale Therapie anstelle eines ACEi/ARB in Betracht gezogen werden. Evidenz mit niedriger Aussagesicherheit stützt dieses Vorgehen bei Patient*innen, die bereits wegen Herzinsuffizienz stationär behandelt werden mussten.

Als orientierenden Zeitpunkt für eine Re-Evaluation des Therapieeffekts und – bei Fortbestehen der Symptomatik – für eine weitere Therapieintensivierung schlägt die Leitliniengruppe im ambulanten Kontext möglichst 6 bis maximal 12 Wochen nach Therapieinitiierung oder -änderung vor.

Für Empfehlungen zur Reihenfolge der Initiierung und Titration siehe Kapitel 6.4.1 Titrierung und Dosierung.

Für ggf. abweichende Empfehlungen bei bestimmten Begleiterkrankungen siehe Kapitel 8 Komorbiditäten (2019) sowie Kapitel 4.3 Multimorbidität. Bei therapierefraktärer fortgeschrittener Herzinsuffizienz "sollten" auch kardiochirurgische Maßnahmen (mechanische Kreislaufunterstützung) "in Betracht gezogen werden", "bevor irreversible End‑organschädigungen aufgetreten sind" (vgl. Kapitel 7.6 Herzunterstützungssysteme/Kunstherz). Zur Anpassung der Medikation im Rahmen der Palliativversorgung siehe Kapitel 11.5 Therapiebegrenzung in der Sterbephase.

 Evidenzgrundlage Empfehlungsgrundlage

Zu SGLT2-Inhibitoren und ARNI (Sacubitril/Valsartan) wurde für die NVL ein systematischer Review erstellt. Für alle anderen Medikamente wurde in einer themenübergreifenden systematischen Recherche keine neue Evidenz identifiziert. Ein geplanter Cochrane-Review zu Betarezeptorenblockern war mangels Relevanz zurückgezogen worden. Da zu den älteren Medikamenten keine neue Evidenz zu erwarten ist, wurde von einer neuen Evidenzaufbereitung abgesehen und für die Vorversionen der NVL zitierte Evidenz übernommen. Sie stammte aus Leitliniensynopsen; die Evidenz wurde durch die Leitliniengruppe jeweils geprüft und für Version 4 der NVL mit den aktualisierten Quellleitlinien 33379, 33380, 33883 abgeglichen.

Zum Thema ARNI bei Patient*innen mit de novo Herzinsuffizienz und bei ACEi/ARB-naiven Patient*innen wurden zusätzlich selektiv eingebrachte Versorgungsdaten aus großen und/oder für den deutschen Kontext relevanten Beobachtungsstudien berücksichtigt, da dazu keine RCTs vorliegen.

 Evidenzbeschreibung Zusammenfassende Evidenzbeschreibung

Wahl der Substanzklassen

(Evidenzbeschreibung für die Einzelsubstanzen siehe unten)

Für eine Vierfachkombination im Vergleich zu einer Zwei- oder Dreifachkombination (symptom- und progressionsorientierte Stufentherapie mit RASi+BB±MRA) existiert Evidenz im randomisierten und verblindeten Design aus den Studien zu SGLT2i. Eingeschlossen waren jeweils Patient*innen mit hohem Progressionsrisiko (stark erhöhte NT-proBNP-Werte oder – bei weniger stark erhöhten Werten bzw. weniger stark eingeschränkter LVEF – eine zurückliegende Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz) sowie eine leitliniengerechte Basistherapie: Fast alle Patient*innen erhielten Betablocker, 94% 29798 bzw. 88% (30922) erhielten RASi und je 71% MRA. Die Hinzunahme von SGLT2i beeinflusste die Mortalität, die Hospitalisierungrate und andere Endpunkte bei hoher Aussagesicherheit (ausführliche Darstellung siehe Evidenzbeschreibung SGLT2-Inhibitoren). Die Effektivität einer Vierfachkombination unterschied sich nicht signifikant von der einer Dreifachkombination (ohne MRA) 33384, 33383.

Für eine initiale Vierfachkombination (RASi+BB+MRA+SGLT2i) bei Patient*innen mit de novo Herzinsuffizienz liegt direkte Evidenz aus einem Head-to-Head-Vergleich mit der bisher empfohlenen symptom- und progressionsorientierten Stufentherapie (RASi+BB±MRA) nicht vor, so dass aus der vorhandenen Evidenz extrapoliert werden muss. Daten existieren in Form von Subgruppenanalysen aus Studien zu SGLT2i bei akuter Herzinsuffizienz 33304, 33303, 33305, 33302. In der größten bisher vorliegenden Studie EMPULSE (n = 530) war die Rate an klinischem Benefit, einem Komposit-Endpunkt aus Mortalität, Herzinsuffizienz-Endpunkten (Hospitalisierung, dringende/ungeplante Arztbesuche) und Lebensqualität-Veränderung nach 90 Tagen unter Empagliflozin sowohl bei Patient*innen mit dekompensierter chronischer Herzinsuffizienz (WR 1,39 (1,07; 1,81), n = 355) als auch bei Patient*innen mit de novo Herzinsuffizienz (WR 1,29 (95% KI 0,89; 1,89), n = 175) besser als unter Placebo 33304. Die Aussagesicherheit bezüglich einer medikamentösen Langzeittherapie ist jedoch aufgrund von Indirektheit sehr gering: Es liegt nur eine Subgruppenanalyse vor, die Nachbeobachtungszeit war nur kurz und nur 70% der Patient*innen wurden mit RASi, 80% mit BB und ca. 50% mit MRA behandelt; mindestens 30% erhielten also keine leitliniengerechte Behandlung und nur ein Teil der Population die Vierfachkombination.

Zusammenfassend liegt Evidenz zur Vierfachkombination mit hoher Aussagesicherheit für Patient*innen vor, die bereits eine medikamentöse Dauertherapie gegen Herzinsuffizienz erhielten und bei denen ein hohes Progressionsrisiko besteht. Keine direkte Evidenz existiert für eine initiale Vierfachkombination im ambulanten Setting und bei weniger kranken Patient*innen; die Aussagesicherheit ist hier wegen Indirektheit abgeschwächt auf "moderat".

Wahl des RASi

(Evidenzbeschreibung für die Einzelsubstanzen siehe unten)

ACE-Hemmer senken bei HFrEF im Vergleich zu Placebo die Gesamtsterblichkeit, verzögern die Progression der Pumpfunktionsstörung, senken die Hospitalisierungsrate und verbessern die Symptomatik und Belastungstoleranz. Bei herzinsuffizienten Patient*innen nach Myokardinfarkt senken ACE-Hemmer darüber hinaus die Re-Infarktrate (siehe Evidenzbeschreibung ACE-Hemmer). Die Effektivität von ARB ist in etwa vergleichbar zu den von ACE-Hemmern (siehe Evidenzbeschreibung Angiotensinrezeptorblocker (ARB)). ARNI (Sacubitril/Valsartan) haben bei Patient*innen, die bereits wegen Herzinsuffizienz stationär behandelt werden mussten und die unter leitliniengerechter Therapie mit ACE-Hemmern, BB und MRA weiter symptomatisch sind, im direkten Vergleich zu ACE-Hemmern Vorteile bezüglich der Mortalität und der Rate an herzinsuffizienzbedingten Hospitalisierungen (moderate Aussagesicherheit), sind jedoch mit einem erhöhten Risiko von Hypotonie verbunden (siehe Evidenzbeschreibung ARNI).

Evidenz zu RASi im Rahmen der Vierfachkombination liegt aus den Studien zu SGLT2i vor. Dort wurden vorwiegend ACE-Hemmer oder ARB eingesetzt; der Anteil der mit ARNI behandelten Patient*innen lag in der DAPA-HF-Studie bei 11% und in der EMPEROR-reduced-Studie bei ca. 20%. In Subanalysen der beiden Studien zeigte sich kein Unterschied der Effektivität bezüglich des primären Komposit-Endpunktes bei Patient*innen mit ACEi/ARB versus ARNI, wobei die Aussagesicherheit aufgrund der ungleich großen und auch bezüglich der Baseline-Charakteristika nicht ausgewogenen Vergleichsgruppen sehr niedrig ist 30929, 31558.

Für Patient*innen mit de novo Herzinsuffizienz bzw. für ACEi/ARB-naive Patient*innen existiert Evidenz aus Subgruppenanalysen von Studien zu ARNI bei akuter Herzinsuffizienz 29770, 29771, 33307, 33308, 33306. Es ergaben sich keine Hinweise, dass die Merkmale "mit ACEi/ARB vorbehandelt versus nicht vorbehandelt" oder "de novo Herzinsuffizienz versus dekompensierte chronische Herzinsuffizienz" die Effektivität von ARNI moderieren. Die Aussagesicherheit bezüglich einer medikamentösen Langzeittherapie ist jedoch niedrig, weil nur eine Subgruppenanalyse zum direkten Vergleich mit ACEi vorliegt 33306, die Nachbeobachtungszeit kurz war und keine der Studien Aussagen zu harten klinischen Endpunkten zulässt (Details siehe Evidenzbeschreibung ARNI).

Zusammenfassend liegt Evidenz für ARNI mit moderater Aussagesicherheit für Patient*innen vor, die mit ACEi/ARB vorbehandelt und weiterhin symptomatisch sind. Die Aussagesicherheit der Evidenz für nicht mit ACEi/ARB vorbehandelte Patient*innen und/oder mit de novo Herzinsuffizienz ist insbesondere für bislang nicht hospitalisierte Patient*innen aufgrund von Indirektheit niedrig.

Bezüglich der Sicherheit stellt in der Versorgungspraxis nach Erfahrung der Leitliniengruppe vor allem das Auftreten symptomatischer Hypotonien ein Problem dar, insbesondere in der Einstellungsphase. Dies betrifft prinzipiell alle RASi, ARNI aber in stärkerem Ausmaß als ACEi/ARB.

Zusammenfassende Limitationen

(Limitationen für die Einzelsubstanzen siehe unten)

Eine wesentliche Limitation der Evidenz für alle Substanzklassen betrifft die externe Validität (Direktheit). Die Mehrzahl der ambulant versorgten Patient*innen ist älter, multimorbide und umfasst viele Frauen – Populationsmerkmale, die in den meisten Studien ausgeschlossen bzw. unterrepräsentiert waren. Die Studienpopulationen sind somit nicht repräsentativ für Patient*innen in der Praxis. Daher sind Aussagen zur Effektivität und Sicherheit bei diesen Patient*innen nur eingeschränkt möglich.

Hinzu kommt, dass die Studien zu ACEi, ARB und BB bereits sehr alt sind. Teils wurde beim Einschluss der Patient*innen nicht nach Art der Herzinsuffienz (reduzierte/erhaltene LVEF) unterschieden, teils wurde dieses Merkmal gar nicht erfasst. Die Bewertung dieser Studien mit aktuellen Instrumenten unterliegt zudem einem erheblichen Verzerrungsrisiko, da sich die Anforderungen an Berichtsqualität über die Jahre massiv verändert haben, was die Bestimmung der Aussagesicherheit und den Vergleich mit aktueller Evdienz erschwert.

In die großen Studien zu MRA wurden vorwiegend kränkere Patient*innen eingeschlossen (z. B. NYHA ≥ III oder nach Myokardinfarkt oder nach Herzinsuffizienz-bedingter Hospitalisierung), jeweils auf Basis einer Behandlung mit ACEi/ARB, teils BB und zumeist Diuretika. In die Studien zu ARNI und SGLT2i wurden Patient*innen mit schwereren Formen bzw. höherem Risiko eingeschlossen. Ob weniger kranke Patient*innen ähnlich von diesen Substanzgruppen profitieren, dafür liegt bislang keine belastbare Evidenz aus randomisiert-kontrollierten Studien vor.

 Überlegungen Klinische Erwägungen zur Wahl der Wirkstoffe

Neben der Effektivität spielen Synergismen bezüglich der Anwendungsgebiete bei Komorbidität, Kontraindikationen, das Nebenwirkungsprofil und andere klinische Erwägungen eine Rolle bei der Wahl der individuell geeigneten Medikation (zusammenfassend siehe Tabelle 16).

  • Bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz und komorbidem, medikamentenpflichtigem Typ-2-Diabetes liegen zwei Indikationen für SGLT2-Inhibitoren vor (vgl. auch NVL Typ-2-Diabetes 30867).
  • Bezüglich langfristiger renaler Endpunkte haben die verschiedenen zur Verfügung stehenden Substanzgruppen unterschiedliche Wirkungen (siehe Tabelle 16), wobei für SGLT2-Inhibitoren nephroprotektive Effekte nachgewiesen sind und spezifische Zulassungen für chronische Nierenerkrankungen vorliegen. Zwar können alle RASi, MRA und auch SGLT2-Inhibitoren kurzfristig einen hämodynamisch bedingten Kreatininanstieg auslösen; dieser ist aber in der Regel nicht mit struktureller Nephrotoxizität verbunden.
  • ARNI, SGLT2i und MRA wirken diuretikasparend: Sowohl in der DAPA-HF-Studie, als auch in der EMPEROR-reduced-Studie konnte die Diuretikadosis im Verlauf bei mehr Patient*innen reduziert werden, und bei weniger Patient*innen wurde sie erhöht 30926, 30927. Auch unter ARNI wurde eine Senkung der mittleren Diuretikadosis beobachtet 31557. Spironolacton 33310 und Eplerenon 33309 verringern ebenfalls die notwendige Dosis von Diuretika. Zudem eignen sich MRA in der klinischen Praxis, um den kaliuretischen Effekt von Thiazid-Diuretika auszugleichen.
  • Alle Substanzgruppen sind in unterschiedlichem Ausmaß mit einem erhöhten Hypotonierisiko verbunden, nur bei SGLT2-Inhibitoren spielt der blutdrucksenkende Effekt klinisch eine geringe Rolle. Das Risiko von Hyperkaliämien ist zudem bei allen RASi sowie MRA erhöht. Aber auch andere Nebenwirkungen wie beispielsweise urogenitale Infektionen unter SGLT2-Inhibitoren können im individuellen Fall eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für oder gegen einen Wirkstoff spielen.

Ein weiteres Kriterium für die Wirkstoffwahl ist die Handhabung (Titration ja/nein) und damit verbunden auch die Erfahrung der Behandelnden mit der jeweiligen Substanz.

 Überlegungen Vorgehen bei Patient*innen unter bisheriger Basistherapie

Die geänderten Empfehlungen zur medikamentösen Therapie bei HFrEF betreffen eine Vielzahl an Patient*innen, die aktuell mit der bisherigen leitliniengerechten Kombination aus ACE-Hemmern (oder ARB), Betarezeptorenblockern und ggf. MRA behandelt werden. Die Frage einer Therapieintensivierung mit SGLT2-Inhibitoren und/oder einer Umstellung von ACEi/ARB auf ARNI ist somit von hoher praktischer Relevanz.

Für Patient*innen unter bisheriger Basistherapie gilt die gleiche Empfehlung wie für bislang nicht behandelte Patient*innen. Das heißt, prinzipiell kommt eine Ergänzung von (SGLT2i) oder Umstellung auf (ARNI) weitere prognoseverbessernde Substanzen infrage und sollte entsprechend mit den Patient*innen besprochen werden. Dies gilt insbesondere für Patient*innen, die trotz Behandlung symptomatisch sind, aber auch für Patient*innen, die derzeit die bisherige Basistherapie (ACEi/ARB+BB±MRA) erhalten und damit NYHA I erreichen. Nach Aufklärung über den potenziellen Nutzen und mögliche Risiken erfolgt die partizipative Entscheidungsfindung, ob und wenn ja mit welchen Substanzen die Therapie umgestellt/eskaliert wird, unter besonderer Berücksichtigung der individuellen Therapieziele (prognoseorientiert? symptomorientiert?) sowie von Multimorbidität und Polypharmazie.

Limitierend ist aus Sicht der Leitliniengruppe die Preisgestaltung für die neueren Medikamente und die daraus resultierende Budgetbelastung der ambulant Versorgenden. Bei der Wahl der Medikation können daher in der Praxis zwangsläufig auch wirtschaftliche Erwägungen eine Rolle spielen. Es existieren zwar Rabattverträge und Praxisbesonderheiten, jedoch sind die Regelungen unübersichtlich, da sie nicht für alle verfügbaren Medikamente und Settings sowie nicht für alle Krankenkassen gelten.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung ACE-Hemmer

In RCTs 14117, 12809, 92, 13729 und Metaanalysen 12806, 14130 wurde nachgewiesen, dass ACE-Hemmer bei Patient*innen mit leichter, mäßiger und schwerer HFrEF (NYHA II–IV) die Gesamtsterblichkeit senken, die Progression der Pumpfunktionsstörung verzögern, die Hospitalisierungsrate senken sowie die Symptomatik und Belastungstoleranz verbessern. Bei herzinsuffizienten Patient*innen nach Myokardinfarkt senken ACE-Hemmer darüber hinaus die Re-Infarktrate 14117, 12809, 92.

Obwohl nur Captopril, Enalapril, Lisinopril und Ramipril in mortalitätsbezogenen Outcomestudien getestet wurden, geht man von einem Klasseneffekt bei ACE-Hemmern aus. Ob ein ACE-Hemmer anderen überlegen ist, lässt sich aus den vorliegenden Daten nicht ableiten. Der Nutzen von ACE-Hemmern hinsichtlich Mortalität und Morbidität steigt mit der Schwere der Herzinsuffizienz 12817. In Abhängigkeit vom Mortalitätsrisiko schwanken die Effektmaße in den ausgewerteten Studien deshalb erheblich:

  • CONSENSUS 1987 94: NYHA IV; LVEF nicht berichtet, Follow-up 6 Monate, Enalapril vs. Placebo, Mortalität: ARR 15%, NNT 6 Monate = 7;
  • SOLVD 1991 95: ~ 90% Patient*innen NYHA II oder III, LVEF<35%, Follow-up 3,5 Jahre, Enalapril vs. Placebo, Mortalität: ARR 4,5%, NNT 42 Monate = 22;

Zum Endpunkt Lebensqualität wurden in den genannten Studien keine Daten berichtet.

Der Nutzen von ACE-Hemmern speziell für ältere Patient*innen mit Herzinsuffizienz kann aus der CONSENSUS-Studie abgeleitet werden, in der das durchschnittliche Alter der Patient*innen ca. 70 Jahre betrug (s. o.) 94. Weitere Hinweise auf positive Effekte (Mortalität, Morbidität, kognitiver und funktionaler Status) liegen aus kleinen RCTs 14005, retrospektiven Kohortenstudien 13976, 13977 und Subgruppenanalysen 12806 vor.

Es gibt Hinweise, dass ACE-Hemmer geschlechtsspezifisch wirken. So zeigte sich in einer Metaanalyse aus sieben großen ACE-Hemmer-Studien für Frauen mit symptomatischer Herzinsuffizienz (n = 1 079) ein geringerer mortalitätsbezogener Vorteil als bei Männern, während Frauen mit asymptomatischer Herzinsuffizienz (n = 1 294) gar nicht profitierten 14130.

Sicherheit

Bei einem Teil der mit ACE-Hemmern behandelten Patient*innen tritt trockener Husten auf, wobei die Inzidenz je nach Studiendesign sowie in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht und der ethnischen Abstammung stark schwankt 19940, 19922, 19950. Da Husten auch andere Ursachen (Lungenödem, bronchiale/pulmonale Erkrankungen) haben kann, sollten diese abgeklärt werden (siehe Kapitel 8.5 Atemwegserkrankungen und Tabelle 28). Zur Anwendung von ACE-Hemmern bei Patient*innen mit Niereninsuffizienz siehe Kapitel 8.1 Nierenerkrankungen. In einer Kohortenstudie waren ACE-Hemmer im Vergleich zu Angiotensinrezeptorblockern (ARB) mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko assoziiert 28993. Da das Ausmaß insgesamt jedoch sehr gering und ein kausaler Zusammenhang durch die Daten nicht zu belegen ist, wird die Empfehlung zur ACE-Hemmer-Therapie bei chronischer Herzinsuffizienz aus Sicht der Leitliniengruppe nicht infrage gestellt.

Hinweis: Zulassungsstatus

Bei der Auswahl des Medikaments ist der jeweilige Zulassungsstatus zu beachten, z. B. sind einige ACE-Hemmer nicht für NYHA I, nur in Kombination mit Diuretika und anderen Medikamenten und/oder nur nach Myokardinfarkt zugelassen (CAVE: Off-Label-Use, siehe Hinweis zum Off-Label-Use).

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung Angiotensinrezeptorblocker (ARB)

Die Ergebnisse der Primärstudien zu Angiotensinrezeptorblockern (ARB, auch: AT1-Rezeptorblocker, Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten, "Sartane") bei HFrEF sind inkonsistent:

  • ARB vergleichbar effektiv bezüglich Gesamtmortalität: zwei RCTs zu Candesartan (RESOLVD) bzw. Losartan (ELITE II) im Vergleich zu ACE-Hemmern (Enalapril bzw. Captopril) bei Patient*innen mit symptomatischer Herzinsuffizien 14151, 101;
  • ARB vergleichbar effektiv bezüglich Gesamtmortalität: zwei RCTs zu Losartan (OPTIMAAL) bzw. Valsartan (VALIANT) im Vergleich zu Captopril bei Postinfarkt-Patient*innen mit linksventrikulärer Dysfunktion und/oder Herzinsuffizienzzeichen 14153, 10897;
  • ARB effektiver bezüglich des kombinierten Endpunktes kardiovaskuläre Mortalität und herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierung: RCT zu Candesartan (CHARM) bei ACE-Hemmer-intoleranten Patient*innen mit symptomatischer HFrEF im Vergleich zu Placebo 12807 sowie Subgruppenanalysen der Val-HeFT-Studie 11660.

Eine Metaanalyse verglich ARB mit Placebo und fand einen knapp statistisch nicht signifikanten Effekt auf die Mortalität (OR 0,83 (95% KI 0,69; 1,00)) 14154. In zwei Metaanalysen zu ARB im Vergleich mit Placebo oder ACE-Hemmern ergab sich kein statistisch signifikanter Effekt auf Mortalität oder Hospitalisierungen 12808, 25251. Aufgrund dieser Evidenzlage gelten ARB als Mittel der zweiten Wahl bei ACE-Hemmer-Unverträglichkeit 33379, 33380, 33883.

Zum Endpunkt Lebensqualität wurden in den genannten Studien keine Daten berichtet.

Sicherheit

Typische Nebenwirkungen von Angiotensinrezeptorblockern resultieren aus der Beeinflussung des Renin-Angiotensin-Systems, z. B. Nierenfunktionseinschränkungen, Hyperkaliämie sowie Hypotension, insbesondere bei Vorbehandlung mit Diuretika. Vorsicht geboten ist bei einem Wechsel auf ARB nach ACE-Hemmer-induziertem Angioödem, da eine Kreuzreaktivität nicht ausgeschlossen ist. Zur Anwendung von ARB bei Patient*innen mit Niereninsuffizienz siehe Kapitel 8.1 Nierenerkrankungen.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung ARNI

Chronische, vorbehandelte HFrEF

Ein für die NVL durchgeführter systematischer Review identifizierte 10 RCTs zum Vergleich des Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitors (ARNI) Sacubitril/Valsartan mit einem ACE-Hemmer sowie 5 RCTs zum Vergleich von ARNI mit Valsartan. Berücksichtigt wurden nur Studien mit patientenrelevanten Endpunkten. In der Metaanalyse zeigte sich für ARNI im Vergleich zu ACE-Hemmern ein Vorteil bezüglich der Gesamtmortalität (147/1 000 vs. 171/1 000; RR 0,86 (95% KI 0,78; 0,94); 7 RCTs, n = 9 947, I2 = 0% Follow-up 5,6–27 Monate) als auch bei der kardiovaskulären Mortalität (125/1 000 vs. 154/1 000; RR 0,81 (95% KI 0,73; 0,90); 6 RCTs, n = 9407; I2 = 0%; Follow-up 1,9–33,9 Monate). Die Aussagesicherheit wurde aufgrund von Indirektheit (Run-in-Phase, siehe unten: Limitationen) jeweils als moderat bewertet (siehe Evidenztabellen im Leitlinienreport). Unter Behandlung mit Sacubitril/Valsartan verbesserte sich im Vergleich zu Placebo bei mehr Patient*innen die gesundheitsbezogene Lebensqualität (RR 1,07 (95% KI 1,01; 1,14) und verschlechterte sich bei weniger Patient*innen (RR 0,88 (95% KI 0,82; 0,94) in klinisch relevantem Ausmaß (≥ 5 Punkte KCCQ-Gesamtscore) 26422.  

Die Ergebnisse der Metaanalysen waren wesentlich getriggert durch die Zulassungsstudie von Sacubitril-Valsartan: In PARADIGM-HF wurde der ARNI mit dem ACE-Hemmer Enalapril verglichen. Die Studie schloss über 8 000 Patient*innen mit LVEF < 40% (später geändert auf < 35%) und vorwiegend NYHA-Klasse II ein, die trotz mindestens vierwöchiger leitliniengerechter Vorbehandlung u. a. mit ACE-Hemmern oder ARB symptomatisch waren. Einschlusskriterium waren zudem NT-proBNP-Werte ≥ 600 pg/ml bzw. – bei NT-proBNP ≥ 400 pg/ml – eine Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierung innerhalb des letzten Jahres. Der primäre Komposit-Endpunkt – Tod durch kardiovaskuläre Ursachen oder herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierung – wurde nach median 27 Monaten Nachbeobachtungszeit mit 21,8% unter Sacubitril/Valsartan gegenüber 26,5% unter Enalapril verbessert (HR 0,80 (95% KI 0,73; 0,87); p < 0,001, ARR 4,7%, NNT 22), zudem ergaben sich Vorteile bezüglich Gesamtmortalität (ARR 2,8%, NNT 36), kardiovaskulärer sowie Herzinsuffizienz-bedingter Mortalität, herzinsuffizienzbedingten Hospitalisierungen und plötzlichem Herztod 25017, 25024.

Eine Post-hoc-Analyse der PARADIGM-Studie (ca. 42% aller eingeschlossenen Patient*innen) deutet darauf hin, dass niedrigere Dosierungen gleichermaßen effektiv sind (33333, siehe auch Kapitel 6.4.1 Titrierung und Dosierung).

Der Anteil von Frauen lag in PARADIGM-HF bei ca. 22%; in der Subgruppenanalyse ergab sich kein Hinweis auf eine geschlechtsabhängige Wirksamkeit 25017. Andere Subgruppenanalysen sprechen für einen altersunabhängigen Effekt von Sacubitril/Valsartan 25025.

Im Rahmen des Verfahrens zur Frühen Nutzenbewertung in Deutschland erfolgte eine Subgruppenanalyse von PARADIGM-HF bezüglich Diabetes mellitus. Während Patient*innen ohne Diabetes mellitus. bezüglich des Gesamtüberlebens profitierten (HR 0,77 (95% KI 0,68; 0,88); n = 5 492) ("Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen"), war der Effekt bei Patient*innen mit Diabetes mellitus nicht signifikant (HR 0,97 (95% KI 0,83; 1,14); n = 2 907; p für Interaktion: 0,025). Bezüglich der Hospitalisierungsrate und der Lebensqualität ergaben sich jedoch positive Effekte ("Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen") 26422. Aus methodischen Gründen (quantitative Nicht-Ausgewogenheit der Gruppen, Studie für diese Fragestellung statistisch nicht gepowert) kann dieses Ergebnis jedoch nur als hypothesengenerierend angesehen werden. Der primäre Komposit-Endpunkt wurde auch bei Patient*innen mit Diabetes mellitus verbessert (HR 0,87 (95% KI 0,77; 0,98; n = 2 907; p für Interaktion: 0,13) 25021. Daher hat sich die Leitliniengruppe entschieden, keine abweichenden Empfehlungen auszusprechen.

Die Ergebnisse der Metaanalysen zum Vergleich von Sacubitril/Valsartan mit Valsartan waren bezüglich aller Endpunkte nicht signifikant, was aber vermutlich durch mangelnde statistische Power zu erklären ist (n < 600, wenige Events) (siehe Evidenztabellen im Leitlinienreport).

Akute Herzinsuffizienz

ARNI als (neue) Dauermedikation nach akuter Dekompensation von Patient*innen mit HFrEF (n = 881) waren Gegenstand der PIONEER-HF-Studie. Eingeschossen waren auch 34,4% (n = 303) Patientinnen mit neu diagnostizierter Herzinsuffizienz und 52% (n = 458) der Patient*innen waren noch nicht mit ACEi oder ARB vorbehandelt. Unter ARNI kam es nach 8 Wochen im Vergleich zu Enalapril zu einer stärkeren Absenkung von NT-proBNP (-‑46,7% vs. -25,3%). Das Risiko einer herzinsuffizienzbedingten Rehospitalisierung betrug 8% vs. 13% (HR 0,56 (95% KI 0,37; 0,84); dabei handelt es sich jedoch um eine exploratorische Analyse mit lediglich hypothesengenerierendem Charakter 29770. Es zeigten sich keine Unterschiede zwischen Patient*innen mit dekompensierter chronischer und de novo Herzinsuffizienz sowie zwischen mit ACE-I/ARB vorbehandelten und -naiven Patient*innen 33306. Die Aussagesicherheit ist moderat, da belastbare Daten nur für einen Surrogatendpunkt vorliegen.

Weitere Studien zu ARNI bei akuter Herzinsuffizienz verglichen eine schnelle mit einer langsamen Titrierung (TITRATION, n = 538; davon 6,6% ACEi/ARB-naiv) sowie eine frühzeitige (stationäre) mit einer mittelfristigen (nach Entlassung) Initiierung von ARNI (TRANSITION, n = 1 002, davon 24% ACEi/ARB-naiv). Zusammenfassend erwies sich eine langsamere Titrierung als sicherer 33308; eine Initiierung während des stationären Aufenthaltes war mit einem besseren NT-pro-BNP-Ansprechen zum Entlassungszeitpunkt assoziiert, wobei das Ausmaß des Nutzens sich aber zwischen einer frühzeitigen oder einer erst im ambulanten Kontext erfolgten Initiierung nicht unterschied 33307. Die Zieldosis von Sacubitril/Valsartan wurde nach 10 Wochen bei ca. 50% der Patient*innen erreicht 29771. Ein Vergleich mit ACEi/ARB erfolgte in diesen Studien nicht; klinische Parameter waren nicht die primären Endpunkte. Ein Effekt auf relevante klinische Endpunkte ist daher unklar und nicht belegt.

Versorgungsdaten

Selektiv eingebrachte Registerdaten zu ARNI aus dem Versorgungsalltag wurden ergänzend betrachtet, um mögliche versorgungsrelevante Aspekte näher zu beleuchten und Effekte auf die in der Versorgungspraxis Behandelten zu überprüfen. Sie wird hier nur anhand ausgesuchter Beispiele dargestellt und wurde nicht zur Begründung der Empfehlung herangezogen:

  • Auf Basis nordamerikanischer Registerdaten wurde die Effektivität von ARNI (n = 3 059) im Vergleich zu ACEi/ARB (n = 6 118) explizit bei RASi-naiven Patient*innen mit Propensity-Score Matching untersucht.  Nach einem Jahr war die Rate an Hospitalisierungen aufgrund von Herzinsuffizienz oder aus kardiovaskulären Gründen nicht verschieden, für die Gesamthospitalisierungen ergab sich ein Vorteil für die ARNI (IRR 0,87 (95% KI 0,81; 0,93)) 33314. Die Aussagesicherheit ist aufgrund des nicht randomisierten Designs niedrig.
  • Anhand schwedischer Registerdaten wurde die Effektivität einer Behandlung mit ARNI (n = 1 372) mit ACEi/ARB (n = 1 372) mit Propensity Score Matching verglichen. In der ARNI-Gruppe waren 76% mit ACEi/ARB vorbehandelt. Die Gesamtmortalität betrug nach 1,4 Jahren 11,7% vs. 14,6% (HR 0,77; 95% KI 0,63; 0,95); die Rate an Gesamthospitalisierungen, die kardiovaskuläre Mortalität und Hospitalisierungen aus kardiovaskulären Gründen waren nicht unterschiedlich 33311. Die Aussagesicherheit ist aufgrund des nicht randomisierten Designs niedrig.
  • Anhand von Daten aus dem europäischen ARIADNE-Register, in dem Informationen aus kardiologischen, teils auch hausärztlichen ambulanten Praxen gesammelt werden, wurde retrospektiv eine "konventionelle" Behandlung (n = 4 173) mit einer Behandlung mit ARNI (n = 4 614, n = 2 108 Switch auf ARNI) verglichen. Es erfolgte kein Propensity Score Matching, die Charakteristika der verglichenen Gruppen waren nicht ausbalanciert: Ingesamt waren die mit ARNI behandelten Patient*innen kränker als die "konventionell" behandelten (NYHA II 47% vs. 68%; NYHA III 51% vs. 31%; mittl. LVEF 32,7% vs. 35,9%; NTpro-BNP median 1 101 vs. 894 pg/mL; MRA-Behandlung 56% vs. 52%). Nach 12 Monaten war die Hospitalisierungsrate in beiden Gruppen nicht unterschiedlich. Eine NYHA-Verbesserung von III auf II wurde in der "konventionell" behandelten Gruppe bei 32% erreicht versus 46,3% mit ARNI. Die LVEF (n = 2 602) verbesserte sich unter ARNI von median 32,7% auf 38,1% und unter konventioneller Behandlung von 35,9% auf 38,7% (MD 2,6%; OR 1,49 (95% KI 1,26; 1,75)). Das Ausmaß des Nutzens wurde vermutlich dadurch beeinflusst, dass die LVEF in der "konventionell" behandelten Gruppe zu Studienbeginn höher und die NYHA-Klasse niedriger war. Hinzu kommt, dass 16% der Patient*innen in der "konventionellen" Gruppe weder ACEi noch ARB erhielten, somit also nicht leitliniengerecht behandelt wurden 33312, 33315. Die Aussagesicherheit ist aufgrund des Studiendesigns und der genannten Limitationen sehr niedrig.

Sicherheit ARNI

In dem für die NVL erstellten systematischen Review wurden auch Metaanalysen zu ausgewählten Sicherheitsendpunkten durchgeführt: Das Risiko für Hypotension war unter ARNI höher im Vergleich zu ACE-Hemmern (207/1 000 vs. 110/1 000; RR 1,88 (95% KI 1,34; 2,64); 6 RCTs, n = 10 078; I= 51%; moderate Aussagesicherheit). Keine signfikanten negativen Effekte ergaben sich auf renale Endpunkte (Aussagesicherheit niedrig) sowie auf Stürze oder Volumenmangel (Aussagesicherheit sehr niedrig).

Die Ergebnisse der Metaanalysen waren wesentlich getriggert durch die Zulassungsstudie von Sacubitril-Valsartan: In der PARADIGM-HF-Studie kam es unter Sacubitril/Valsartan seltener zu Hyperkaliämien (Serumkaliumspiegel > 6,0 mmol/l), erhöhten Serumkreatininspiegeln (≥ 2,5 mg/dl) und Husten (jeweils p < 0,05) 25017. Das Hypotonierisiko dagegen war insgesamt signifikant erhöht unter Sacubitril/Valsartan (24,43% vs. 18,59%, RR 1,31 (95% KI 1,21; 1,43)) 25863, 25859. Statistisch signifikante Nachteile von Sacubitril/Valsartan gegenüber Enalapril zeigten sich bezüglich der insgesamt aber seltenen (< 2%) Nebenwirkungen Orthostasesyndrom, orthostatischer Schwindel und Stürze 25863.

Hypotonie war in PARADIGM-HF die häufigste Ursache für eine Dosisreduktion und unter Sacubitril/Valsartan (330/1 523; 21,7%) häufiger als unter Enalapril (248/1 524; 16,3%; p < 0,001) 33333). Auch in Beobachtungsstudien mit einer Alltagspopulation war Hypotonie diejenige Nebenwirkung, die am häufigsten zu Dosisreduktionen oder zum Absetzen des Medikaments führte (zusammenfassend: 33332).

Angioödeme traten in der Zulassungsstudie selten auf, jedoch häufiger als unter Enalapril (0,45% vs. 0,24%, RR adjudiziert 1,88, n. s.) 25863. Kontraindiziert ist Sacubitril/Valsartan bei Patient*innen mit anamnestisch bekanntem Angioödem im Zusammenhang mit einer früheren Therapie mit ACE-Hemmern oder ARB. Aufgrund des erhöhten Angioödem-Risikos darf eine Behandlung mit Sacubitril/Valsartan erst 36 Stunden nach Einnahme der letzten Dosis einer ACE-Hemmer-Therapie begonnen werden 26394.

Da ARNI auch am Abbau von Beta-Amyloid-Peptid in der Retina und im Gehirn beteiligt sind, hatte die FDA dem Hersteller auferlegt, die zerebrale Sicherheit von Sacubitril/Valsartan zu prüfen 25865. Frühe Daten zeigen keinen negativen Einfluss auf kognitive Funktionen 25866; auch in der PERSPECTIVE-Studie (HFpEF) ergaben sich keine entsprechenden Hinweise 33389, 33390, 33401. Die Auflage der FDA ist damit erfüllt und das Verfahren abgeschlossen.

Bei ARNI handelt es sich nicht um den bloßen Austausch eines Medikaments (ACE-Hemmer durch Valsartan), sondern um eine Add-on-Therapie (+ Neprilysin-Inhibitor). Daher besteht ebenfalls eine erhöhte Gefahr von Wechselwirkungen.

Hinweis: BNP-Plasmaspiegel unter ARNI-Behandlung verändert

Aufgrund der Wirkungsweise von ARNI wird unter Therapie mit Sacubitril/Valsartan der Abbau von BNP gehemmt. Daher verlieren die BNP-Plasmaspiegel ihre diagnostische und prognostische Aussagekraft (nicht aber die Plasmaspiegel von NT-proBNP).

Limitationen

Das Verzerrungsrisiko der Studien war heterogen, in PARADIGM-HF-Studie niedrig (siehe Evidenztabelle im Leitlinienreport). Die PARADIGM-HF-Studie wird jedoch aufgrund ihres Designs kritisiert: Nach einer Run-in-Phase, während der alle Teilnehmenden nacheinander erst Enalapril und dann Sacubitril/Valsartan erhielten, wurden Patient*innen mit relevanten Nebenwirkungen (12%) ausgeschlossen. Dies kann zum einen zu einer möglichen Unterschätzung von Nebenwirkungen in beiden Armen und zum anderen zu einer Überschätzung des Nutzens im Vergleich zu Patient*innen in der täglichen Praxis führen. Die Aussagesicherheit in der Metaanalyse wurde daher aufgrund von Indirektheit auf "moderat" herabgestuft.

In PARADIGM-HF wurden ausschließlich mit ACEi/ARB vorbehandelte Patient*innen eingeschlossen. Für alle anderen Patient*innen ist die Evidenz indirekt, so dass die Aussagesicherheit für sie auf "niedrig" heruntergestuft wird. Dies betrifft insbesondere die initiale Behandlung bei neu diagnostizierter Herzinsuffizienz und Patient*innen.

Die Aussagesicherheit für die Kurzzeitbehandlung von Patient*innen nach akuter Dekompensation ist moderat, weil belastbare Daten nur für einen Surrogatendpunkt vorliegen. Für die langfristige Behandlung nach Dekompensation ist die Aussagesicherheit niedrig, da das Follow-up für die Beurteilung der Effekte einer Dauertherapie in PIONEER-HF zu kurz ist.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung Betarezeptorenblocker

Betarezeptorenblocker haben positive Effekte auf die Gesamtsterblichkeit, die kardiovaskuläre Sterblichkeit, die Häufigkeit des plötzlichen Herztods, die herzinsuffizienzbedingte Mortalität sowie die Anzahl von Hospitalisierungen 14130. Bisoprolol, Carvedilol und Metoprololsuccinat senkten in RCTs auf Basis einer Vorbehandlung mit ACE-Hemmer und Diuretika die Gesamtsterblichkeit (NYHA II-IV), kardiovaskuläre Sterblichkeit, die Häufigkeit des plötzlichen Herztods, die herzinsuffizienzbedingte Mortalität sowie die Anzahl von Hospitalisierungen 12803, 13995, 14136, 14131. Subgruppenanalysen der CIBIS II-Studie ergaben zudem keine unterschiedlichen Ergebnisse für ausgewertete Subgruppen (z. B. Alter, Geschlecht, NYHA-Stadium, EF) 14135.

Zum Nutzen von Betarezeptorenblockern speziell bei älteren Patient*innen mit Herzinsuffizienz liegt ein RCT vor: Für Nebivolol wurde bei älteren Patient*innen > 70 Jahre mit einer herzinsuffizienzbedingten Krankenhauseinweisung oder einer EF < 35% eine Reduktion des kombinierten Endpunktes aus Sterblichkeit und Krankenhauseinweisung nachgewiesen; die Gesamtsterblichkeit war unter Nebivolol jedoch nicht signifikant reduziert 7506. Für Metoprololsuccinat liegen Hinweise aus Subgruppenanalysen eines RCT vor, dass dieser Betarezeptorenblocker auch bei älteren Patient*innen die Mortalität und Krankenhauseinweisungen reduzieren kann 13995, 12811.

Einen Klasseneffekt gibt es bei Betarezeptorenblockern offenbar nicht, da bei anderen Betarezeptorenblockern keine Mortalitätsreduktion bzw. eine Erhöhung der Sterblichkeit beobachtet wurde 14134, 12816. Bei asymptomatischen Patient*innen (NYHA I) nach einem Herzinfarkt führte eine Therapie mit Carvedilol nicht zu einer signifikanten Reduktion des kombinierten Endpunkts aus Tod und Hospitalisierung. Es ergaben sich aber Hinweise auf eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit (sekundärer Endpunkt; 12% vs. 15%, HR 0,77 (95% KI 0,60; 0,98); p = 0,03) 14119.

Der Nutzen von Betarezeptorenblockern hinsichtlich Mortalität und Morbidität steigt mit der Schwere der Herzinsuffizienz. In Abhängigkeit von dem Mortalitätsrisiko schwanken die Effektmaße in den ausgewerteten Studien deshalb erheblich:

  • Bisoprolol (CIBIS-II 1999) 12803: NYHA III-IV, LVEF durchschnittlich 27,5%, Follow-up 1,3 Jahre, Bisoprolol vs. Kontrollen, Basistherapie ACE-Hemmer + Diuretika + Digoxin bei 1/2 der Patienten: ARR = 5,5%, NNT 16 Monate = 18;
  • Metoprololsuccinat (MERIT-HF 1999) 13995: NYHA II-IV, LVEF durchschnittlich 28%, Follow-up 12 Monate, Metoprolol vs. Kontrollen, Basistherapie ACE-Hemmer + Diuretika (+ Digoxin bei 2/3 der Pat.): ARR = 3,6%, NNT 12 Monate = 28;
  • Carvedilol (COPERNICUS 2001) 14131: NYHA III und IV: schwere HI (≥ 2 Monate Ruhedyspnoe oder bei minimaler Belastung, LVEF < 25%), LVEF durchschnittlich 19,9%, Follow-up 10,4 Monate, Carvedilol vs. Kontrollen, Basistherapie ACE-Hemmer oder ARB + Diuretika + Digoxin: ARR = 5,5%, NNT 10,4 Monate = 18;
  • Carvedilol (US Carvedilol HF 1996) 13812: NYHA II-III, LVEF durchschnittlich 23%, Follow-up 6,5 Monate, Carvedilol, Basistherapie ACE-Hemmer + Diuretika + Digoxin: ARR = 4,6%, NNT 6,5 Monate = 22; für den kombinierten Endpunkt Tod oder Hospitalisierung: ARR = 8,8%, NNT 6,5 Monate = 11;
  • Nebivolol (SENIORS) 7506: HI Einweisung oder LVEF < 35%, NYHA I-IV (NYHA I ~ 3%, NYHA IV ~ 2%), EF durchschnittlich 36%, Follow-up durchschnittlich 21 Monate, Nebivolol vs. Placebo, Basistherapie ACE-Hemmer oder ARB + MRA + Diuretika + Digoxin: für den kombinierten Endpunkt Tod oder Hospitalisierung: ARR = 4,2%, NNT 21 Monate = 24 6828.

Zum Endpunkt Lebensqualität wurden in den genannten Studien keine Daten berichtet.

In einer Metanalyse von zehn RCTs profitierten Patient*innen mit Vorhofflimmern (Mortalität: HR 0,97 (95% KI 0,83; 1,14), p = 0,73) weniger von einer Therapie mit Betarezeptorenblockern als Patient*innen mit Sinusrhythmus (HR 0,73 (95% KI 0,67; 0,80); p < 0,001, p für Interaktion = 0,002) 25426. Auch wenn kein prognoseverbessernder Effekt zu erwarten ist, bleibt die Fortsetzung der Betarezeptorenblocker-Therapie zur Frequenzkontrolle nach Ansicht der Leitliniengruppe bei Auftreten von Vorhofflimmern aus symptomatischer Sicht gerechtfertigt.

Sicherheit

Als typische Nebenwirkungen von Betarezeptorenblockern können Bradykardie, Hypotension sowie periphere Durchblutungsstörungen auftreten. Obwohl sie mit Bronchuskonstriktion assoziiert sein können, sind Betarezeptorenblocker auch bei herzinsuffizienten Patient*innen mit COPD indiziert. Auch Asthma bronchiale stellt keine absolute Kontraindikation für eine Therapie mit β1-selektiven Betarezeptorenblockern dar (siehe Kapitel 8.5 Atemwegserkrankungen).

Hinweis: Zulassungsstatus

Bei der Auswahl des Medikaments ist der jeweilige Zulassungsstatus zu beachten (CAVE: Off-Label-Use, siehe Hinweis zum Off-Label-Use). Z. B. ist Nebivolol nicht für NYHA-Klasse IV zugelassen.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung Mineralokortikoidrezeptorantagonisten (MRA)

Effekte von MRA auf klinische Endpunkte bei chronischer Herzinsuffizienz wurden in mehreren randomisierten Studien nachgewiesen:

  • Spironolacton 12,5–50 mg/Tag (RALES, n = 1 663) 12814: NYHA III/IV, LVEF ≤ 35%; Follow-up 24 Monate; Gesamtmortalität 35% vs. 46% (RR 0,7 (95% KI 0,6; 0,82)); Hospitalisierungen aus kardialen Gründen RR 0,70 (95% KI 0,59; 0,82);
  • Eplerenon 25–50 mg/Tag (EPHESUS, n = 6 632) 12815: Patient*innen 3–14 Tage nach Myokardinfarkt, LVEF ≤ 40%, mit Herzinsuffizienzsymptomen oder Diabetes mellitus; Gesamtmortalität 14,4% vs. 16,7% (RR 0,85 (95% KI 0,75; 0,96)); Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierungen 10,4% vs. 11,8%; RR 0,85 (95% KI 0,74; 0,99)); Gesamthospitalisierungen nicht signifikant
  • Spironolacton 25542 (n = 168): NYHA I/II, LVEF ≤ 40%, Follow-up 6 Monate; LVEF verbessert (+3,9% vs. ‑0,8%), positive Effekte auf Remodeling und diastolische Funktion;
  • Eplerenon (EMPHASIS-HF; n = 2 737) 25541: NYHA II, EF ≤ 30% (≤ 35% bei QRS > 130ms), Hospitalisierung aus kardiovaskulären Gründen < 6 Monate oder erhöhte BNP-Werte, Follow-up 21 Monate; Komposit-Endpunkt kardiovaskuläre Mortalität oder herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierung 18,3% vs. 25,9% (HR 0,63 (95% KI 0,54; 0,74)), Gesamtmortalität 12,5% vs. 15,5% (HR 0,76 (95% KI 0,62; 0,93);
  • Metaanalyse NYHA I//II, n = 3 929 25599: Gesamtmortalität RR 0,79 (95% KI 0,66; 0,95); 3 Studien, n = 3 247; I = 0%; Rehospitalisierungen wegen verschlechterter Herzinsuffizienz RR 0,62 (95% KI 0,52; 0,74); 4 Studien, n = 3 448; I2 = 0%.

Eingeschlossen waren jeweils Patient*innen, die unter Behandlung mit ACE-Inhibitoren (ggf. ARB), Betablockern (außer 12814) und Diuretika weiterhin symptomatisch waren. Der Anteil der asymptomatischen Patient*innen in 25542 wurde nicht berichtet; die Studie war jedoch klein (n = 168) und untersuchte keine klinischen Outcomes.

Zum Endpunkt Lebensqualität wurden in den genannten Studien keine Daten berichtet.

Bezüglich des Nutzens von MRA speziell bei älteren Patient*innen weisen Subgruppenanalysen darauf hin, dass Patient*innen mit NYHA III/IV von Spironolacton (RALES 12814) sowie Patient*innen mit NYHA II von Eplerenon (EMPHASIS-HF 25541) profitieren können. Hingegen war der Effekt von Eplerenon nach akutem Myokardinfarkt bei Patient*innen ≥ 65 Jahren nicht signifikant (EPHESUS 12815), und für die Studie zu Spironolacton bei NYHA I/II wurden keine gesonderten Auswertungen zum Alter identifiziert (Baseline-Alter im Spironolacton-Arm: 61 ± 13 Jahre) 25542.

Sicherheit

MRA-induzierte Hyperkaliämien stellen unter Alltagsbedingungen eine erhebliche Einschränkung der Therapiesicherheit dar. In den großen klinischen Studien lag die Rate bei 2-8% (NNH 23-100) 12814, 12815, 25541, in Zeitreihenuntersuchungen jedoch bei bis zu 36% 14164 der Patient*innen beobachtet. Eine Metaanalyse ergab ein Risikoverhältnis (RR) von 1,78 (95% KI 1,43; 2,23; 6 Studien, n = 3595; I2 = 0%) 25599. Aufgrund des Hyperkaliämierisikos empfiehlt die Leitliniengruppe in der Einstellungsphase ein individuell angepasstes engmaschiges Monitoring, danach mindestens viermonatlich. Bei älteren Patient*innen ist eine noch engmaschigere Kontrolle der Kaliumspiegel erforderlich (siehe Kapitel 6.4.4 Medikamentenbezogene Verlaufskontrollen, Tabelle 19).

Aus Sicht der Leitliniengruppe erfordern geringfügige Anstiege der Serumkaliumspiegel (bis ≤ 5,5 mmol/l) innerhalb der ersten Wochen der MRA-Therapie keine Intervention. Bei Kaliumspiegeln > 5,5 kann die Hinzunahme eines oralen kaliumsenkenden Medikaments erwogen oder die Dosis zu halbiert werden. Ab ≥ 6 mmol/l empfiehlt es sich, den MRA zumindest vorübergehend abzusetzen, ebenso bei Verschlechterung der Nierenfunktion, einer Episode von Diarrhoe oder Dehydration sowie bei Unterbrechung einer Diuretika-Therapie. Ab einem Serumkalium von < 5,0 mmol/l kann eine niedrigdosierte MRA-Therapie wieder aufgenommen werden (nach 25541). Zur Behandlung bei Hyperkaliämie siehe 33969.

Die unter Spironolacton 12814 häufiger zu Therapieabbrüchen führende Gynäkomastie wurde unter Eplerenon nicht häufiger als in der Placebogruppe beobachtet 12815, 25599.

Hinweis: Zulassungsstatus

Bei der Auswahl des MRA ist der jeweilige Zulassungsstatus zu beachten (CAVE: Off-Label-Use, siehe Hinweis zum Off-Label-Use). So besitzt Eplerenon die Zulassung bei Patient*innen ohne Myokardinfarkt nur für NYHA-Klasse II, und Spironolacton ist nicht explizit für die Behandlung von Herzinsuffizienz zugelassen, sondern nur indirekt (bei Ödemen infolge eines sekundären Hyperaldosteronismus).

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung SGLT2-Inhibitoren

Chronische, vorbehandelte HFrEF

Ein für die NVL durchgeführter systematischer Review identifizierte 9 RCTs zum Vergleich SGLT2-Inhibitoren (Empagliflozin und Dapagliflozin) mit Placebo auf Basis einer Behandlung mit RASi, BB und ggf. MRA. Nach einem Follow-up von 2,8 bis 16 Monaten ergaben sich Effekte auf die Mortalität (113/1 000 vs. 128/1 000; RR 0,88 (95% KI 079; 0,99); 9 RCTs, n = 9510; I2 = 0%), die kardiovaskuläre Mortalität (91/1 000 vs. 105/1 000; RR 0,87 (95% KI 0,77; 0,99); 8 RCTs, n = 9199; I2 = 0%) und Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierungen (108/1 000 vs. 148/1 000; RR 0,73 (95% KI 0,66; 0,81); 8 RCTs, n = 9 195; I2 = 0%) bei jeweils hoher Aussagesicherheit. Die Lebensqualität (KCCQ) wurde verbessert, allerdings blieb die gemessene Verbesserung an der Schwelle klinischer Relevanz (SMD 0,20 (95% KI 0,09; 0,31); 7 RCTs, n = 9 366; I2 = 71%; Follow-up 2,8–12 Monate).

Getriggert wurden die Ergebnisse der Metaanalyse durch zwei große Studien:

In der DAPA-HF-Studie wurden 4 744 Patient*innen mit LVEF ≤ 40% und NYHA II-IV mit erhöhtem NT-proBNP und/oder einer zurückliegenden Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz zu 10 mg Dapagliflozin oder Placebo randomisiert. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 18 Monaten wurde der primäre kombinierte Endpunkt – kardiovaskuläre Todesfälle, Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz oder Notaufnahme-Besuch wegen Herzinsuffizienz – in der Gesamtpopulation mit 16,3% vs. 21,2% erreicht (HR 0,74 (95% KI 0,65; 0,85); ARR: 4,9%). In der Subgruppe der Patient*innen ohne Typ-2-Diabetes war der Effekt mit 13,2% vs. 17,7% (HR 0,73 (95% KI 0,60; 0,88); ARR 4,5%) konsistent. Die Gesamtmortalität wurde reduziert (276 (11,6%) vs. 329 (13,9%); HR 0,83 (0,71; 097)) 29798. Der Effekt ohne konkomitante MRA-Behandlung (n = 1 374, 29%) war nicht signifikant verschieden von dem mit MRA 33383, 30998.

In der EMPEROR-reduced-Studie wurden insgesamt 3 730 Patient*innen mit LVEF ≤ 40% und NYHA II-IV mit erhöhtem NT-proBNP und/oder einer zurückliegenden Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz zu 10 mg Empagliflozin oder Placebo randomisiert. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 16 Monaten wurde der primäre kombinierte Endpunkt – Zeit bis zum kardiovaskulären Tod oder Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz – in der Gesamtpopulation mit 19,4% vs. 24,7% erreicht (HR 0,75 (95% KI 0,65; 0,86); ARR 5,3%). In der Subgruppe der Patient*innen ohne Typ-2-Diabetes war der Effekt mit 17,2% vs. 21,0% (HR 0,78 (95% KI 0,64; 0,97); ARR 3,8%) konsistent. Die Gesamtmortalität wurde nicht signifikant reduziert (13,4% vs. 14,2%; HR 0,92 (95% KI 0,77; 1,10)) 30922. Der Effekt ohne konkomitante MRA-Behandlung (n = 1 069, 29%) war nicht signifikant verschieden von dem mit MRA 33384.

Der Anteil von Frauen lag in DAPA-HF bei ca. 23% und in EMPEROR-reduced bei ca. 24%. Während sich für Empagliflozin in der Subgruppenanalyse kein Hinweis auf geschlechtsspezifische Effekte ergab, war der Effekt von Dapagliflozin bezüglich des primären Endpunkts nur bei Männern signifikant 29798, 30922. Dies kann jedoch auch auf die geringere statistische Power zurückzuführen sein.

Der Nutzen von SGLT2-Inhibitoren für ältere Patient*innen mit Herzinsuffizienz kann aus Subgruppenanalysen von DAPA-HF und EMPEROR-Reduced abgeleitet werden 33882, 33881.

Bei beiden SGLT2-Inhibitoren zeigte sich der Benefit bezüglich des primären und anderer Endpunkte bereits nach wenigen Wochen 30927, 31559.

In Studien zum ursprünglichen Anwendungsgebiet der SGLT2-Inhibitoren Typ-2-Diabetes wurden neben den glukosesenkenden Effekten ebenfalls positive Effekte auf kardiale und renale Endpunkte beobachtet (u. a. Reduktion der Gesamtmortalität und der kardiovaskulären Mortalität, weniger Hospitalisierungen aufgrund von Herzinsuffizienz, verringerte Dialysepflicht) 28058, 28333, 28882, 29295, 29009. Daher werden SGLT2-Inhibitoren in der NVL Typ-2-Diabetes für Patient*innen mit medikamentenpflichtigem Diabetes und manifester kardiovaskulärer Erkrankung empfohlen und für Patient*innen mit erhöhtem kardialen bzw. renalen Risiko diskutiert 30867.

Akute Herzinsuffizienz

Zur Initiierung von SGLT2i als Dauermedikation nach akuter Dekompensation von Patient*innen mit HFrEF existiert Evidenz aus einer größeren und mehreren kleineren RCTs:

In der EMPULSE-Studie (n = 530) wurden aufgrund von Dekompensation stationär behandelte Patient*innen zu Empagliflozin oder Placebo randomisiert. Die Rate an klinischem Benefit, einem Komposit-Endpunkt aus Mortalität, Herzinsuffizienz-Endpunkten (Hospitalisierung, dringende/ungeplante Arztbesuche) und Lebensqualität-Veränderung ≥ 5 Punkte (KCCQ), war nach 90 Tagen unter Empagliflozin besser als unter Placebo (Win ratio (WR) 1,36 (95% KI 1,09; 1,68). In die Studien waren sowohl Patient*innen mit dekompensierter chronischer Herzinsuffizienz (n = 355) eingeschlossen, als auch Patient*innen mit de novo Herzinsuffizienz (n = 175). Die Aussagesicherheit bezüglich des primären Endpunkts ist für eine kurzfristige Behandlung dekompensierter Patient*innen moderat (Abstufung aufgrund von Indirektheit, weil nur 70% der Patient*innen leitliniengerecht mit RASi und nur 80% mit Betablockern behandelt wurden) und für eine Langzeitbehandlung niedrig (zusätzliche Indirektheit aufgrund des kurzen Follow-ups). 33304.

In EMPAG-HF-Studie (n = 60) zeigten sich für Empagliflozin gegenüber Placebo nach 5 Tagen positive Effekte auf die Harnausscheidung und andere renale Endpunkte 33305, und in der EMPA-RESPONSE-AHF-Studie (n = 80) hatte eine 60-tägige Behandlung mit Empagliflozin keinen Einfluss auf die Veränderung von Dyspnoe (VAS-Skala), das Ansprechen auf Diuretika, NT-proBNP und die Dauer des Krankenhausaufenthalts 33303. Die Aussagesicherheit ist aufgrund der geringen Präzision und der Indirektheit (Surrogatparameter) jeweils niedrig.

Zu Dapagliflozin bei akuter Herzinsuffizienz wurde ein RCT (n = 102) identifiziert. Dabei ergaben sich unter Dapagliflozin bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus positive Effekte auf renale Endpunkte und die Patient*innen benötigten seltener bzw. weniger Diuretika 33302. Die Aussagesicherheit ist aufgrund der geringen Präzision und der Indirektheit (Surrogatparameter) jeweils niedrig.

Sicherheit SGLT2-Inhibitoren

In dem für die NVL durchgeführten systematischen Review wurden auch Metaanalysen zu ausgewählten Sicherheitsendpunkten durchgeführt: Bezüglich renaler Endpunkte ergab sich unter SGLT2i ein Vorteil (14/1 000 vs. 23/1 000; RR 0,63 (95% KI 0,46; 0,85); 5 RCTs, n = 9 113; I2 = 0%; Follow-up 2,8–18,2 Monate; moderate Aussagesicherheit). Ein kleiner Effekt wurde für das Risiko von Stürzen errechnet (3/1 000 vs. 1/1 000; RR 2,92 (95% KI 1,14; 7,49); 3 RCTs, n = 8 773; I2 = 0%), wohingegen die Metaanalysen bezüglich Hypotension, urogenitale Infektionen, Volumenmangel, diabetische Ketoazidose sowie Fournier Gangrän jeweils keine signifikanten Effekte ergaben (Aussagesicherheit jeweils niedrig).

In DAPA-HF und Emperor-reduced betrafen die wenigen Fälle von diabetischer Ketoazidose und schwerer Hypoglykämie ausschließlich Patient*innen mit Typ-2-Diabetes 29798, 30923. Die Inzidenz von Volumenmangel, unerwünschten renalen Ereignissen, Frakturen und Amputationen der unteren Extremitäten war in beiden Studien zwischen SGLT2-Inhibitor- und Placebogruppe ausgeglichen; numerisch häufiger kam es bei Patient*innen ohne Typ-2-Diabetes zu Volumenmangel (Dapagliflozin 7,3 vs. 6,1%; Empagliflozin 11,1% vs. 9,1%) und Frakturen (Dapagliflozin 2,1% vs. 1,9%; Empagliflozin n.b.). Eine verschlechterte Nierenfunktion (renaler Komposit-Endpunkt) war unter SGTL2-Inhibitoren seltener (Dapagliflozin 1,2% vs. 1,6%; Empagliflozin 1,6% vs. 3,1% 29798, 30929, 30924. Unter konkomitanter Behandlung mit MRA ergaben sich keine Hinweise auf eine erhöhte Nebenwirkungsrate; bei gleichzeitiger Behandlung mit MRA und Empagliflozin oder Dapagliflozin kam es numerisch seltener zu Hyperkaliämien als unter MRA+Placebo 33384, 33383.

In den EPAR werden genitoperineale (v. a. mykotische) Infektionen wie Vulvovaginitis oder Balanitis bei gepoolt 5,5% vs. 0,6% (Dapagliflozin) bzw. 4,0% vs. 1% (Empagliflozin) der Patient*innen berichtet 30931, 31560.

Daten und Erfahrungen zur Langzeitsicherheit von SGLT2-Inhibitoren in einer Alltagspopulation liegen für Patient*innen mit Typ-2-Diabetes und zunehmend auch für Patient*innen mit Herzinsuffizienz vor. Die aus Sicht der Leitliniengruppe relevantesten Nebenwirkungen stellen urogenitale und in deren Folge aufsteigende Infektionen sowie atypische Ketoazidosen dar (Risiko erhöht bei Typ-2-Diabetes und bei akuten Erkrankungen).

Hinweis: Marker des Eisenstoffwechsels unter SGLT2-Inhibitor-Behandlung verändert

Es gibt Hinweise, dass durch eine Behandlung mit SGLT2-Inhibitoren die Plasmaspiegel von Hepcidin, Ferritin und Transferrin verändert werden, ohne dass dies zwangsläufig einen tatsächlichen Eisenmangel widerspiegelt 33598.

Limitationen

Das Verzerrungsrisiko der Studien war insgesamt gering.

In DAPA-HF und EMPEROR-reduced wurden ausschließlich Patient*innen eingeschlossen, die eine medikamentöse Behandlung gegen Herzinsuffzienz erhielten (RAS-Inhibitoren, Betablocker, teilweise MRA), die außerdem ein stark erhöhtes NT-proBNP aufwiesen und/oder die bereits wegen Herzinsuffizienz stationär behandelt wurden (Evidenz mit hoher Aussagesicherheit). Für alle anderen Patient*innen ist die Evidenz indirekt, so dass die Aussagesicherheit für sie auf "moderat" heruntergestuft wird. Dies betrifft insbesondere die initiale Behandlung bei neu diagnostizierter Herzinsuffizienz und Patient*innen, die bisher nicht wegen einer Dekompensation stationär behandelt werden mussten.

Die Aussagesicherheit für die Kurzzeitbehandlung von Patient*innen nach akuter Dekompensation ist niedrig, weil belastbare Daten nur für Surrogatendpunkte vorliegen und die Präzision aufgrund nur weniger eingeschlossener Patient*innen limitiert ist. Für die langfristige Behandlung nach Dekompensation ist die Aussagesicherheit sehr niedrig, weil das Follow-up für die Beurteilung der Effekte einer Dauertherapie in den Studien zu kurz ist.

 Patientenblatt Patientenmaterialien

6.1.1.1 Vorgehen bei asymptomatischer linksventrikulärer Dysfunktion

Empfehlung

6-3 | e | modifiziert 2023

Patient*innen mit asymptomatischer linksventrikulärer Dysfunktion und fehlenden Kontraindikationen soll ein ACE-Hemmer empfohlen werden.

Starke Empfehlung

6-4 | k | modifiziert 2023

Patient*innen mit asymptomatischer linksventrikulärer Dysfunktion, die ACE-Hemmer nicht tolerieren, kann alternativ zu einem ACE-Hemmer ein Angiotensinrezeptorblocker empfohlen werden.

Offene Empfehlung

6-5 | e | neu 2023

Patient*innen mit asymptomatischer linksventrikulärer Dysfunktion und fehlenden Kontraindikationen sollte ein Betarezeptorenblocker empfohlen werden.

Abgeschwächte Empfehlung

RationaleRationale

Eine asymptomatische linksventrikulärere Dysfunktion (aLVD; entspricht NYHA I) als Zufallsbefund einer Echokardiographie ist mit einer verschlechterten kardiovaskulären Prognose verbunden, so dass unabhängig von der Ätiologie grundsätzlich Behandlungsbedarf besteht.

Explizite Evidenz aus einem großen RCT zu den Effekten einer medikamentösen Behandlung bei aLVD existiert nur für ACE-Hemmer; da in die betreffende Studie aber vorwiegend Patient*innen nach Myokardinfarkt eingeschlossen wurden, ist die Aussagesicherheit für Patient*innen ohne Myokardinfarkt aufgrund von Indirektheit reduziert (moderat). Die positiven Effekte auf die langfristige Sterblichkeit begründen den starken Empfehlungsgrad.

Weil eine aLVD sehr häufig infolge eines (ggf. auch stummen) Myokardinfarkts auftritt, ist nach Einschätzung der Leitliniengruppe eine Extrapolation indirekter Evidenz aus Postinfarkt-Studien grundsätzlich legitim. Dies betrifft die positiven Effekte auf klinische Endpunkte sowohl von Angiotensinrezeptorblockern (ARB) als auch von Betarezeptorenblockern; wegen Indirektheit ist die Aussagesicherheit der Evidenz niedrig. Weil für Betarezeptorenblocker auch Subgruppenanalysen aus einer aLVD-Population vorliegen und weil die Indikation häufig ohnehin aufgrund anderer Indikationen wie Myokardinfarkt oder Hypertonie besteht, spricht die Leitliniengruppe für Betarezeptorenblocker eine abgeschwächte Empfehlung aus. ARB stellen hingegen ausschließlich bei ACE-Hemmer-Unverträglichkeit oder -kontraindikation eine potenzielle Alternative dar, so dass nur eine offene Empfehlung ausgesprochen wird.

Aufgrund der klinisch unscharfen Trennung zwischen NYHA I und NYHA II, die aber für die Behandlungsempfehlungen einen sehr großen Unterschied ausmacht, betont die Leitliniengruppe die Bedeutung einer sorgfältigen Anamnese und Diagnostik der NYHA-Klasse.

CAVE: Patient*innen, bei denen erst durch die Behandlung eine NYHA I-Klassifizierung erreicht wurde, sind von dieser Empfehlung nicht betroffen; bei ihnen gelten die allgemeinen Empfehlungen (i. e. Beibehaltung der leitliniengerechten medikamentösen Therapie).

 Evidenzgrundlage Empfehlungsgrundlage

Es erfolgte eine systematische Recherche nach Primärstudien und aggregierter Evidenz.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Prognostische Relevanz

Eine klinisch asymptomatische linksventrikuläre Dysfunktion (aLVD) ist laut Definition keine Herzinsuffizienz (siehe Kapitel 1 Definition und Klassifikation (2019)). Nichtsdestotrotz ist eine strukturelle Herzerkrankung mit dem Risiko für eine symptomatische Herzinsuffizienz und mit einer verschlechterten Prognose verbunden 33584, 33301, insbesondere bei Vorliegen von Begleiterkrankungen wie Niereninsuffizienz, Diabetes, Bluthochdruck, COPD oder Vorhofflimmern 33593, 33585, 33582, 33578, 13781.  

ACE-Hemmer

Zum Nutzen von ACE-Hemmern bei Patient*innen mit aLVD existiert ein RCT (n = 4 228) zum Vergleich von Enalapril mit Placebo. Eingeschlossen waren Patient*innen mit LVEF < 35–40% und NYHA I oder II (33%), die bisher keine Medikamente gegen Herzinsuffizienz erhielten. Bei 80% der Patient*innen lag ein zurückliegender Myokardinfarkt vor. Nach einem Follow-up von 37 Monaten zeigte sich kein Unterschied in der Mortalität (313/2 111 (14,8%) vs. 334/2 117 (15,8%); RR 8% (95% KI -8;21)), jedoch reduzierten ACE-Hemmer die Hospitalisierungsrate (184/2 111 (8,7%) vs. 273/2 117 (12,9%) RRR 36% (95% KI 22; 46)) und die Progressionsrate zu NYHA ≥II 13730. Nach 12 Jahren zeigte sich auch ein Effekt auf die Gesamtmortalität: 1 074/2 111 (50,9%) vs. 1 195/2 117 (56,4%); HR 0,86 (95% KI 0,79; 0,93). Von den Patient*innen mit Baseline NYHA I (n = 3 105) waren unter Enalapril 780 (50,4%) verstorben gegenüber 865 (55,6%) 13729. Die Aussagesicherheit für Patient*innen nach Myokardinfarkt ist hoch, für alle anderen Patient*innen moderat (Indirektheit).

Postinfarkt-Studien, in die auch oder ausschließlich Patient*innen mit aLVD eingeschlossen waren, bestätigten diese Evidenz bei niedrigerer Aussagesicherheit 12809, 92, 33581, 33590.

ARB

Bezüglich der Gabe von Angiotensinrezeptorblockern bei aLVD wurde keine Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien identifiziert. Indirekte Evidenz bieten zwei Postinfarkt-Studien zu Valsartan (VALIANT) und Losartan (OPTIMAAL), in die zum Teil auch Patient*innen mit Killip-Klasse I eingeschlossen waren. Es zeigten sich keine Effektivitätsunterschiede zwischen ARB und ACE-Hemmern 14153, 10897. Die Aussagesicherheit ist nach Myokardinfarkt moderat (Indirektheit, da nur teilweise Killip-Klasse 1; Anteil aLVD/NYHA I unklar), für alle anderen Patient*innen niedrig.

Betablocker

Evidenz bezüglich der Gabe von Betarezeptorenblockern speziell bei aLVD liegt aus der REVERT-Studie vor: Bei 169 Patient*innen mit aLVD und LVEF < 40% verbesserte sich unter Metoprolol succinate (200 mg) im Vergleich zu Placebo die LV-Funktion 241. Die Aussagesicherheit ist wegen Indirektheit (Surrogatendpunkt) und Impräzision (kleine Population) niedrig.

In zwei Studien waren auch, aber nicht nur Patient*innen mit aLVD eingeschlossen: Eine Studie verglich Carvedilol bei Herzinsuffizienz (n = 291) oder aLVD (n = 124) ischämischer Ätiologie mit Placebo und fand nach 19 Monaten positive Effekte auf den kombinierten Endpunkt Mortalität oder Hospitalisierung: 104/208 (50%) vs. 131/207 (63%); RR 0,74 (95% KI 0,57; 0,95) sowie auf die LVEF und Volumenindexes 33592. Die Aussagesicherheit ist aufgrund von Indirektheit (nur teilweise aLVD) und Impräzision (kleine Population) niedrig. In der SOLVD-Prevention-Studie erhielten 1 015 der 4 228 Patient*innen (67% mit aLVD) neben ACE-Hemmern auch Betarezetorenblocker. Eine retrospektive Subgruppenanalyse zeigte zusätzliche Effekte auf die Gesamtmortalität und die kardiovaskuläre Mortalität 14118, wobei die Ergebnisse aus methodischen Gründen lediglich hypothesengenerierenden Charakter haben. 

Weitere indirekte Evidenz liegt aus Postinfarkt-Studien vor: In der CAPRICORN-Studie (n = 1 959) hatte etwa die Hälfte der Patient*innen eine aLVD. Carvedilol war im Vergleich zu Placebo mit einer Verbesserung der Gesamtmortalität verbunden: 116/975 (12%) vs. 151/984 (15%), HR 0,77 (95% KI 0,60; 0,98) 14119 und wirkte sich günstig auf das ventrikuläre Remodeling aus 33579. Die Aussagesicherheit für aLVD-Patient*innen nach Myokardinfarkt ist moderat (Indirektheit, da nicht nur aLVD), für alle anderen Patient*innen niedrig (Indirektheit). Eine retrospektive Subgruppenanalyse der SAVE-Studie, in der 789 der 2 231 Patient*innen mit aLVD neben ACE-Hemmern auch Betarezetorenblocker erhielten, zeigte zusätzliche Effekte auf die kardiovaskuläre Mortalität und die Progressionrate zu symptomatischer Herzinsuffizienz 33591. Diese Ergebnisse haben aus methodischen Gründen lediglich hypothesengenerierenden Charakter.  

MRA

Zum Effekt von MRA bei aLVD liegt Evidenz aus der Teilpopulation einer Studie vor, die die Effekte einer Echokardiographie-gesteuerten Behandlung auf die ventrikuläre Funktion bei Patient*innen ≥ 65 Jahren mit mindestens einem kardiovaskulären Risikofaktor (Bluthochdruck, Diabtetes, Adipositias) mit einer Standardbehandlung verglich (n = 346). 161 Patient*innen in der Interventionsgruppe erhielten aufgrund einer echokardiographisch diagnostizierten subklinischen linksventrikulären Dysfunktion Spironolacton. Die Studie wurde jedoch aufgrund einer hohen Abbruchrate (55%) vorwiegend aufgrund der Verschlechterung der Nierenfunktion abgebrochen; es ergaben sich keine Effekte auf Herzinsuffizienz-Ereignisse 33587. Die Aussagesicherheit ist aufgrund von Indirektheit (nur teilweise aLVD-Population, kein direkter Vergleich mit Placebo) sowie Impräzision (kleine Population) sehr niedrig, so dass keine Empfehlung abgeleitet werden kann.

ARNI

In der RECOVER-LV-Studie wurden Patient*innen nach Myokardinfarkt, LVEF ≤ 40% und NYHA I (n = 93) zu entweder Sacubitril/Valsartan oder Valsartan randomisiert. Nach 1 Jahr ergaben sich keine Effekte auf das endsystolische LV-Volumen 33586. Die Aussagesicherheit ist nach Myokardinfarkt niedrig (Indirektheit: Surrogatendpunkt; Impräzision: kleine Population), für alle anderen Patient*innen sehr niedrig.

Indirekte Evidenz zu ARNI bei aLVD liegt aus der PARADISE-MI-Studie vor, in der Sacubitril/Valsartan bei Patient*innen nach akutem Myokardinfarkt (n = 5 661) mit Ramipril verglichen wurde. Die mediane LVEF lag bei ca. 36%; 2 281 der Patient*innen waren in Killip-Klasse 1. Es zeigten sich gegenüber Ramipril keine positiven Effekte auf die kardiovaskuläre Mortalität oder Herzinsuffizienz-Ereignisse 33599. Die Aussagesicherheit ist nach Myokardinfarkt niedrig (Präzision; Indirektheit), für alle anderen Patient*innen sehr niedrig.

SGLT2-Inhibitoren

Indirekte Evidenz wurde aus der EMPA-Heart-Studie identifiziert, die den Effekt von Empagliflozin auf die Myokard­kontraktilität bei Patient*innen mit Diabetes (n = 44) und normaler LVEF im Vergleich zu Sitagliptin untersuchte. Nicht in der Gesamtgruppe, aber in der präspezifizierten Subgruppe mit subklinischer Dysfunktion (definiert als globale Längsdehnung des linken Ventrikels < 16,5%) ergaben sich Hinweise auf positive Effekte, die zwar im Vergleich zu den Ausgangswerten, nicht aber im Vergleich zu Sitagliptin statistische Signifikanz erreichten 33588. Die Aussagesicherheit ist wegen Indirektheit (Population, Surrogatendpunkt, Subgruppe) und Impräzision (n) sehr niedrig; die Übertragbarkeit auf aLVD mit reduzierter LVEF ist unklar, so dass keine Empfehlung abgeleitet werden kann.

 Überlegungen Weitere Gründe für Empfehlungsgrad und -formulierung

Aus der Erfahrung der Leitliniengruppe ist die NYHA-Klassifikation unsicher und unscharf; eine eindeutige Unterscheidung zwischen NYHA I und II ist klinisch oft schwer zu treffen, insbesondere z. B. wenn die Patient*innen sich wegen orthopädischer Erkrankungen so stark schonen, dass sie keine Belastungsdyspnoe wahrnehmen oder kaum bzw. nicht mehr mobil sind. Bei explizitem Nachfragen berichten die Patient*innen häufig doch noch von leichten Beschwerden. Hilfreich für die Behandlungsentscheidung kann das Ausmaß der LVEF-Reduktion sowie NT-proBNP sein, um die Schwere der Erkrankung abzuschätzen 33301.

6.1.2 Symptomverbessernde Medikation

6.1.2.1 Diuretika

Empfehlung

6-6 | e | bestätigt 2023

Patient*innen mit Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion, die Zeichen einer Flüssigkeitsretention aufweisen, soll ein Diuretikum empfohlen werden.

Starke Empfehlung

6-7 | k | neu 2023

Unter Therapie mit Diuretika soll regelmäßig geprüft werden, ob die Dosis reduziert werden kann.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Auf Basis langjähriger Erfahrung gelten Diuretika als Mittel der Wahl zur Volumenreduktion, unabhängig von der Ätiologie der Herzinsuffizienz sowie Alter und Geschlecht der Patient*innen. Evidenz liegt aus alten Studien mit unzureichender Berichtsqualität vor. Zudem basiert ein Großteil der Studien zu prognoseverbessernden Substanzen bei Herzinsuffizienz auf einer diuretischen Begleitmedikation. Effekte auf prognoseverbessernde Endpunkte sind nicht belegt. Basierend auf der Evidenz und gestützt durch die langjährige klinische Erfahrung sieht die Leitliniengruppe eine relevante Rolle von Diuretika bei der Symptombehandlung. Die negativen Effekte, insbesondere Elektrolytmangel und Hypotonie, können erfahrungsgemäß durch eine individuell anzupassende Dosis gemildert werden. Wenn trotz optimaler prognoseverbessernder Therapie weiterhin beeinträchtigende Symptomatik besteht, sieht die Leitliniengruppe Handlungsbedarf. Dieser begründet gemeinsam mit der langjährigen Erfahrung und den Hinweisen aus der Evidenz die starke Empfehlung.

Da einige Wirkstoffe mit prognoseverbessernder Wirkung auch diuretikasparend wirken, und da eine unnötig hohe Dosierung von Diuretika relevante unerwünschte Wirkungen haben kann, empfiehlt die Leitliniengruppe konsensbasiert, die Dosierung regelmäßig zu überprüfen und wenn möglich zu reduzieren oder gegebenenfalls abzusetzen. Das Nichtschadensprinzip sowie ein angenommenes Versorgungsproblem begründen den starken Empfehlungsgrad. Eine selektiv eingebrachte Studie unterstützt zudem die Machbarkeit der Empfehlung.

Zur Behandlung und den diuretischen Effekten von ARNI, MRA und SGLT2-Inhibitoren siehe Kapitel 6.1.1 Prognoseverbessernde Medikation sowie Tabelle 16.

Für Informationen zu selbstständiger Gewichtskontrolle und individueller Dosisanpassung von Diuretika siehe Kapitel 5.6 Selbstmanagement.

 Evidenzgrundlage Empfehlungsgrundlage

Die Empfehlungen beruhen auf der Vorversion der NVL sowie auf einem in der themenübergreifenden Rechere identifizierten systematischen Review. Zudem wurde ergänzend selektiv eingebrachte Evidenz zur vergleichenden Effektivität verschiedener Diuretika berücksichtigt.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Diuretika gelten seit den 1960er Jahren als Mittel der Wahl zur schnellen symptomatischen Behandlung bei chronischer Herzinsuffizienz. Sie lindern die Symptomatik der Flüssigkeitsretention wie periphere Ödeme und Luftnot 33601, 33602, 33603 und haben positive Effekte auf die Herzfunktion und die Belastungstoleranz 12401, 33604, 33605, 33606.

Prognoseverbessernde Effekte von Diuretika bei Herzinsuffizienz untersuchte ein Cochrane-Review: In den kleinen und heterogenen Studien (14 RCTs, n = 525) war die Mortalität unter Diuretika geringer als unter Placebo (OR 0,24 (95% KI 0,07; 0,83); 3 RCTs, n = 202; I2 = 0%) und auch Hospitalisierungen aufgrund von Herzinsuffizienz wurden reduziert (OR 0,07 (95% KI 0,01; 0,52); 2 RCTs, n = 169; I2 = 0%). Die Aussagesicherheit ist jedoch aufgrund der sehr schmalen Datenbasis zu niedrig, um bezüglich der prognoseverbessernden Endpunkte belastbare Aussagen ableiten zu können 25598. Ein geplantes Update des Reviews wurde mangels neuer Evidenz zurückgezogen.

Bezüglich der Sicherheit und Verträglichkeit des Absetzens von Diuretika (niedrig dosiertes Furosemid) bei stabilen Patient*innen mit Herzinsuffizienz zeigte ein selektiv eingebrachtes RCT (n = 188) im Vergleich zu einer Weiterführung der Behandlung keine negativen Effekte bezüglich der Dyspnoe-Symptomatik (AUC 1875 (IQR 383–3 360) vs. 1 541 (IQR 474–3 124)). Bei 25% der Patient*innen wurde innerhalb von 90 Tagen Furosemid wieder angesetzt, allerdings wurde im gleichen Zeitraum auch in der Kontrollgruppe bei 16% die Furosemid-Behandlung intensiviert (OR 1,69 (95% KI 0,82; 3,49) 33408.

Sicherheit

Diuretika können einen Elektrolytmangel (Kalium und Magnesium) auslösen, der zu Herzrhythmusstörungen führen kann. Zudem besteht die Gefahr von Hypotonie und einer verschlechterten Nierenfunktion 25598. Erfahrungsgemäß ist der durch Diuretika ausgelöste erhöhte Harndrang für die Patient*innen mit einer Verschlechterung der Lebensqualität verbunden, weil er Inkontinenz-Beschwerden verstärken und die Mobilität beeinträchtigen kann. Da Wirkungen und Nebenwirkungen dosisabhängig sowie inter- und intraindividuell verschieden sind, ist die passende Dosierung aus Sicht der Leitliniengruppe individuell für jede Patientin und jeden Patienten zu ermitteln und bei Bedarf (z. B. an heißen Sommertagen, bei Diarrhoe u. a.) anzupassen (siehe auch Kapitel 5.6 Selbstmanagement).

Hydrochlorothiazid war in Fall-Kontroll-Studien statistisch signifikant mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten von nichtmelanozytärem Hautkrebs (NMSC) assoziiert; dabei stieg das Risiko mit höherer kumulativer Dosis 28992, 28991, 28990. Eine Therapieumstellung aller mit Hydrochlorothiazid behandelten Patient*innen (z. B. auf Chlortalidon) ist aus Sicht der Leitliniengruppe jedoch nicht generell erforderlich, sondern lediglich individuell zu prüfen (z. B. bei Risikopatient*innen für Hautkrebs und jüngeren Patient*innen mit voraussichtlich langer Therapiedauer).

 Informationen Weiterführende Informationen: Wahl des Diuretikums

Die natriuretische Wirkung von Thiaziddiuretika ist bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz in der Regel nicht ausreichend. Allerdings befinden sich viele Patient*innen, bei denen eine Herzinsuffizienz diagnostiziert wird, aufgrund von Komorbidität bereits unter Behandlung mit Thiaziden. Hinsichtlich der Umstellung auf ein Schleifendiuretikum ist der notwendige diuretische Effekt gegen eine mögliche erhöhte Nebenwirkungsrate und damit verbunden eine Einschränkung der Lebensqualität der Patient*innen abzuwägen.

Bei Herzinsuffizienz werden vor allem Schleifendiuretika eingesetzt. Die Dosierung orientiert sich an der Symptomatik und der Nierenfunktion. Bezüglich der vergleichenden Wirksamkeit verschiedener Schleifendiuretika fanden zwei selektiv eingebrachte Netzwerkmetaanalysen von je 34 RCTs (n = 2 647) bei moderater Aussagesicherheit keine signifikanten Unterschiede bezüglich diverser Effektivitäts- und Sicherheitsendpunkte 33385, 33386. Die TRANSFORM-HF-Studie (n = 2 859) bestätigte die weitgehende Gleichwertigkeit für den direkten Vergleich von Furosemid mit Torasemid 33402.

Kaliumsparende Diuretika (Amilorid, Triamteren) erhöhen das Hyperkaliämie-Risiko und sind daher bei gleichzeitiger Therapie mit RASi oder MRA nicht empfehlenswert. Im Einzelfall ist der Einsatz unter engmaschigen Kontrollen der Kalium-Serumkonzentration möglich, z. B. bei primärem Hyperaldosteronismus und MRA-Kontraindikation.

MRA (Spironolacton, Eplerenon) wirken in ihrer bei Herzinsuffizienz üblichen Dosierung wenig diuretisch. SLGT2-Inhibitoren haben zwar eine diuretische Wirkung, zählen aber nicht zu den Diuretika (siehe Kapitel 6.1.1 Prognoseverbessernde Medikation).

 Informationen Weiterführende Informationen: Sequenzielle Nephronblockade

Zur Durchbrechung einer Diuretika-Resistenz wird international entweder die Aufdosierung der Schleifendiuretika oder eine Kombinationsbehandlung mit Thiazid- und Schleifendiuretikum (sequenzielle Nephronblockade) empfohlen 33379, 33380. Ein direkter Vergleich der beiden Strategien existiert nicht 28822, 28823. Da die Kombinationsbehandlung jedoch zu starken Kalium- und Magnesiumverlusten führen kann, ist die Indikation für eine dauerhafte Nephronblockade streng zu prüfen, zumal mit SGLT2-Inhibitoren zunehmend ohnehin eine weitere Wirkstoffklasse mit diuretischen Eigenschaften standardmäßig eingesetzt wird. Die Durchführung einer sequenziellen Nephronblockade erfolgt in der Regel im stationären Kontext (siehe Kapitel 9 Akute Dekompensation (2019)) und nur im Außnahmefall ambulant und unter engmaschiger Kontrolle der Elektrolytwerte.

6.1.3 Weitere Medikamente

6.1.3.1 Ivabradin

Empfehlung

6-8 | e | modifiziert 2023

Symptomatischen Patient*innen mit HFrEF sollte zusätzlich Ivabradin empfohlen werden, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • LVEF ≤ 35%;
  • stabiler Sinusrhythmus;
  • Therapie mit einem RAS-Inhibitor und Mineralokortikoidrezeptorantagonisten;
  • Ruheherzfrequenz ≥ 75/min trotz Betarezeptorenblocker-Zieldosis bzw. maximal tolerierter Betarezeptorenblocker-Dosis.

Abgeschwächte Empfehlung

6-9 | e | modifiziert 2023

Symptomatischen Patient*innen mit HFrEF und Betarezeptorenblocker-Intoleranz oder -Kontraindikationen sollte Ivabradin empfohlen werden, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • LVEF ≤ 35%;
  • stabiler Sinusrhythmus;
  • Therapie mit einem RAS-Inhibitor und Mineralokortikoidrezeptorantagonisten;
  • Ruheherzfrequenz ≥ 75/min.

Abgeschwächte Empfehlung

6-10 | e | bestätigt 2023

Unter Therapie mit Ivabradin soll der Herzrhythmus regelmäßig kontrolliert werden. Liegt kein stabiler Sinusrhythmus vor, soll die Therapie beendet werden.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Die vorliegende Evidenz zeigt keine konsistenten Effekte für Ivabradin. Die Verbesserung eines Kompositendpunktes aus kardiovaskulärer Mortalität und Hospitalisierung wurde insbesondere erreicht, wenn Betablocker nicht bis zur Zieldosis aufdosiert waren. Dies spricht bei geringer Aussagesicherheit aus Sicht der Leitliniengruppe für den Einsatz von Ivabradin erst nach der konsequenten Aufdosierung von Betarezeptorenblockern bis zur Zieldosis bzw. bei Betarezeptorenblocker-Intoleranz oder -Kontraindikationen. Die eingeschränkte Aussagesicherheit der Evidenz sowie der Effekt ausschließlich bei einem Kompositendpunkt begründen die abgeschwächte Empfehlungsstärke. Obwohl die Evidenz für Patient*innen, die mindestens 50% der Zieldosis der Betarezeptorenblocker einnahmen, schwächer ist, differenziert die Leitliniengruppe den Empfehlungsgrad jedoch nicht weiter, weil zu dieser Fragestellung nur Post-hoc-Analysen vorliegen und außerdem nicht nur die prognoseverbessernden Effekte, sondern auch die Senkung der Ruheherzfrequenz ein Ziel der Behandlung ist.

Da nicht ausreichend nachgewiesen ist, ob auch Patient*innen mit permanentem oder intermittierendem Vorhofflimmern von einer Therapie mit Ivabradin profitieren und die Therapie mit Ivabradin mit einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern verbunden ist, spricht die Leitliniengruppe eine Empfehlung für ein entsprechendes Monitoring sowie für den Abbruch der Behandlung bei Vorhofflimmern aus. Sicherheitsbedenken und das Nichtschadenprinzip begründen den starken Empfehlungsgrad.

 Evidenzgrundlage Empfehlungsgrundlage

Die Empfehlung basiert auf einer systematischen Recherche für die 2. Auflage der NVL. In der themenübergreifenden Recherche wurde ein Cochrane-Review identifiziert, dessen Ergebnisse ergänzt wurden.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Die SHIFT-Studie untersuchte die Wirksamkeit des If-Kanal-Hemmers Ivabradin additiv zur Standardtherapie bei Patient*innen mit LVEF ≤ 35%, einer Ruheherzfrequenz ≥ 70/min und Sinusrhythmus, die innerhalb der letzten 12 Monate aufgrund der Herzinsuffizienz stationär behandelt werden mussten. Der primäre zusammengesetzte Endpunkt kardiovaskuläre Mortalität oder herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierungen wurde mit 24% gegenüber 29% verbessert (HR 0,82 (95% KI 0,75; 0,90); p < 0,0001, ARR 5%, NNT 20), nicht jedoch bei Patient*innen, die mindestens 50% der Zieldosis der Betarezeptorenblocker einnahmen 18922. Eine Post-hoc-Analyse bestätigte, dass der Effekt von Ivabradin mit zunehmender Dosis der Betarezeptorenblocker sinkt (bei ≤ 25% der Zieldosis: p = 0,007; bei 25–50% der Zieldosis: p = 0,029; > 50%: kein signifikanter Benefit) 24985. Bezüglich des Nutzens von Ivabradin bei Patient*innen ≥ 65 Jahren deutet eine Subgruppenanalyse auf einen nicht signifikanten Effekt hin (HR 0, 89 (95% KI 0,77; 1,02)) 18922.

In einer weiteren Post-hoc-Analyse 24994 sowie einer Metaanalyse 24979 profitierten nur Patient*innen mit einer Baseline-Herzfrequenz ≥ 75/min von Ivabradin. Die EMA-Zulassung für Ivabradin bei Herzinsuffizienz 26769 basiert auf diesen Ergebnissen. Die ESC-Leitlinie empfiehlt Ivabradin abweichend davon für Patient*innen mit dem in der SHIFT-Studie vordefinierten Cut-off-Wert der Ruheherzfrequenz von 70/min 33379.

Ein in der themenübergreifenden Recherche für Version 4 der NVL identifizierter Cochrane-Review fand auf Basis von 3 RCTs keinen Unterschied in der kardiovaskulären Sterblichkeit und den schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen zwischen der Langzeitbehandlung mit Ivabradin und Placebo/Standardversorgung/keiner Behandlung bei moderater Aussagesicherheit. Der primäre Komposit-Endpunkt, der in der SHIFT-Studie einen Effekt ergab, wurde im Review nicht analysiert 33354.

Die Evidenz zu Patient*innen mit permanentem oder intermittierendem Vorhofflimmern ist nicht ausreichend aussagekräftig für Schlussfolgerungen 26024, 26026, 26025.

Sicherheit

Die Ivabradin-Therapie ist mit einem signifikant häufigeren Auftreten symptomatischer Bradykardien, Sehstörungen (Phosphene, verschwommenes Sehen) und Vorhofflimmern verbunden 24979, 25006. Eine Metaanalyse von RCTs, die viele nicht publizierte Daten mit einschloss, errechnete ein um relativ 15% erhöhtes Risiko für das Auftreten von Vorhofflimmern (NNH 208 pro Behandlungsjahr) 24971. Eine regelmäßige klinische Überwachung der Patient*innen bezüglich des Auftretens von Vorhofflimmern und die regelmäßige Kontrolle der Herzfrequenz werden empfohlen 26769, 26770; zudem erscheint die vorzugsweise Erstverschreibung von Ivabradin durch Kardiologen sinnvoll 26771.

6.1.3.2 Vericiguat

Empfehlung

6-11 | e | neu 2023

Patient*innen mit symptomatischer, chronischer HFrEF, die nach kürzlich aufgetretenem Dekompensationsereignis, das eine i. v.-Therapie erforderte, stabilisiert wurden, kann Vericiguat empfohlen werden.

Offene Empfehlung

RationaleRationale

Evidenz aus einem großen RCT zeigt kleine, aber relevante Vorteile einer zusätzlichen Vericiguat-Behandlung bezüglich der Verhinderung Herzinsuffizienz-bedingter Hospitalisierungen für die spezifische Patientenpopulation dieser Studie, auf die auch die Zulassung beschränkt ist. Aufgrund der engen Indikation und weil in der Zulassungsstudie trotz schwerer Erkrankung nur wenige Patient*innen ARNI und/oder SGLT-2-Inhibitoren erhielten (niedrige Aussagesicherheit aufgrund von Indirektheit) sowie aufgrund von allgemeinen Bedenken im Zusammenhang mit Polypharmazie spricht die Leitliniengruppe eine offene Empfehlung aus. Sie verortet den Stellenwert von Vericiguat vorerst im Rahmen individueller kardiologischer Entscheidungen mit Indikationsstellung im stationären Kontext.

 Evidenzgrundlage Empfehlungsgrundlage

In der themenübergreifenden Recherche wurde ein IQWiG-HTA zur Nutzenbewertung von Vericiuat identifiziert, der auf einem RCT sowie unveröffentlichten Daten basiert. Zudem wurde im Rahmen der öffentlichen Konsultation eingebrachte, nach dem IQWiG-HTA publizierte Evidenz zu Detailfragestellungen berücksichtigt.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Vericiguat ist ein oraler vasodilatierender Wirkstoff, dessen Effekte auf der Stimulation der löslichen Guanylatzyklase beruhen. In die der Zulassung zugrundeliegende VICTORIA-Studie wurden 5 050 Patient*innen mit symptomatischer, chronischer HFrEF eingeschlossen, die innerhalb der letzten 6 Monate aufgrund einer Dekompensation stationär oder mit einer i. v.-Therapie behandelt wurden. 60% der Patient*innen wurden mit ACE-Hemmern/ARB, Betarezeptorenblockern und MRA behandelt. Bei den meisten Patient*innen, die keine Dreifachkombination erhielten, lagen entsprechende Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten vor 33909.

Der primäre Kompositendpunkt, kardiovaskuläre Mortalität oder Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierung, wurde nach median 10,8 Monaten im Vergleich zu Placebo verbessert (35,5% vs. 38,5%, HR 0,90 (95% KI 0,82; 0,98)); wobei das Ergebnis vorwiegend von der Verringerung der Herzinsuffizienz-bedingten Hospitalisierungen getriggert war 33387. Die Effekte waren bei Patient*innen < 75 Jahren signifikant, nicht aber bei älteren Patient*innen. Es zeigte sich zudem ein Vorteil bezüglich des Auftretens von schwerem Vorhofflimmern (0,4% vs. 1,2%; RR 0,38 (95% KI 0,19; 0,73)) 33338, 33337.

Anämien (7,6% vs. 5,7%), symptomatische Hypotonie (9,1% vs. 7,9%) und Synkopen (4,0% vs. 3,5%) waren unter Vericiguat numerisch, aber nicht statistisch signifikant häufiger 33387

Im Nutzenbewertungsverfahren wurde Vericiguat ein "Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen" beschieden 33400.

In einer Nachauswertung der VICTORIA-Studie zeigte sich, dass Patient*innen mit sehr hohen NT-proBNP-Werten (> 5 314 pg/m) wahrscheinlich zu schwer erkrankt sind, um noch von Vericiguat zu profitieren 33910.

Inzwischen wurde die VICTOR-Studie initiiert, die den Einsatz von Vericiguat zu einem früheren Zeitpunkt im Verlauf der Herzinsuffizienz-Erkrankung untersucht (clinicaltrials.gov/study/NCT05093933).

6.1.3.3 Digitalisglykoside

Empfehlung

6-12 | e | modifiziert 2023

Patient*innen im Sinusrhythmus, die trotz leitliniengerechter Therapie mit prognoseverbessernden Wirkstoffen erheblich symptomatisch bleiben, können nach Zielplasmakonzentration dosierte Digitalisglykoside empfohlen werden.

Offene Empfehlung

RationaleRationale

Digoxin wirkt nicht lebensverlängernd, kann aber die Symptomatik und Lebensqualität verbessern sowie die Belastungstoleranz erhöhen und die Hospitalisierungsrate senken. Obwohl sich sämtliche Studiendaten auf Digoxin beziehen, kommen nach Meinung der Leitliniengruppe auch die halbsynthetischen Digoxin-Derivate (Beta-Acetyldigoxin, Metildigoxin) und Digitoxin für die Therapie der Herzinsuffizienz in Betracht. Bei HFrEF und Sinusrhythmus sieht die Leitliniengruppe Digitalisglykoside als zusätzliche Reservemittel, wenn die Patient*innen trotz optimaler Therapie erheblich symptomatisch bleiben. Die offene Empfehlung ist begründet durch die schwache Evidenzlage, insbesondere was die Behandlung auf Basis der heute empfohlenen prognoseverbesserenden Medikation betrifft, sowie durch die geringe therapeutische Breite und damit verbundene Risiken.

Da tachyarrhythmisches Vorhofflimmern bei Herzinsuffizienz häufig ist, können Digoxin oder Digitoxin bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz über diese Komorbidität indiziert sein.

Zur Empfehlung für Patient*innen mit komorbiden Nierenerkrankungen siehe Kapitel 8.1 Nierenerkrankungen.

 Evidenzgrundlage Empfehlungsgrundlage

Die Empfehlung beruht auf der Vorversion der NVL. Für Version 4 wurde die Empfehlung erneut mit internationalen Leitlinien 33379, 33380 abgeglichen und die dort zitierte Evidenz geprüft. Außerdem wurde sicherheitsrelevante Literatur selektiv ergänzt.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

In RCTs hatte Digoxin positive Effekte auf Symptomverbesserung, Lebensqualität, Belastungstoleranz und die Hospitalisierungsrate sowie auf die Kontrolle der Ruhefrequenz, nicht aber auf die Mortalität 12819, 25596.  

Eine Metaanalyse zeigt für Digoxin ein leicht erhöhtes Mortalitätsrisiko bei Herzinsuffizienz (HR 1,14 (95% KI 1,06; 1,22); 9 Studien, n = 91 379) (33475, zitiert nach 33379). Eine andere Metaanalyse fand keinen solchen Zusammenhang in RCTs (HR 0,99 (95% KI 0,93; 1,05); 7 RCTs, n = 8 406), sondern nur in Beobachtungsstudien (RR 1,18 in Propensity-Matching-Studien (95% KI 1,09; 1,26); 13 Analysen, n = 414 604). Die Meta-Regressionsanalyse zeigte, dass Baseline-Charakterisika einen Einfluss auf die Mortalität hatten, darunter auch Marker für den Schweregrad der Herzinsuffizienz (25596, zitiert nach 33379. Ebenfalls Hinweise auf negative Effekte von Digoxin auf die Prognose ergab eine retrospektive Beobachtungsstudie mit Propenity Score Matching (n = 119) für Patient*innen mit pulmonaler arterieller Hypertonie und Rechtsherzinsuffizienz 33704.

Für Frauen liegt kaum Evidenz zu Digoxin vor 12818.

Neuere Studien zum Nutzen von Digoxin als Zusatz zur aktuell empfohlenen prognoseverbessernden Medikation sind nicht bekannt.

Zu Digitoxin bei Herzinsuffizienz existieren bislang keine Daten aus randomisierten kontrollierten Studien; aktuell untersucht die DIGIT-HF-Studie Digitoxin bei HFrEF auf Basis einer leitliniengerechten medikamentösen Behandlung.

 Sicherheit Sicherheit

Digoxin und Digitoxin haben eine nur geringe therapeutische Breite; bei Überdosierung können schwerwiegende Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen und Erregungsleitungsstörungen auftreten. Daher sind eine sorgfältige Einstellung auf die individuelle Dosis und regelmäßige Plasmaspiegelkontrollen notwendig. Die empfohlene Zielplasmakonzentration liegt aktuell für Digoxin bei 0,5–0,8 ng/ml und für Digitoxin bei 8–18 ng/ml; dies wird nach Erfahrung der Leitliniengruppe noch nicht flächendeckend umgesetzt 33577.

Vorsicht ist geboten bei der Anwendung von Digoxin bei Frauen, älteren Menschen, gebrechlichen, hypokaliämischen und unterernährten Personen sowie, da Digoxin ausschließlich renal eliminiert wird, bei Patient*innen mit komorbiden Nierenerkrankungen (siehe 8.1 Nierenerkrankungen). Zudem können Wechselwirkungen mit anderen bei Herzinsuffizienz eingesetzten Medikamenten auftreten, z. B. mit Betarezeptorenblockern (Wirkungsverstärkung) oder Spironolacton (Wirkungsabschwächung).

 Informationen Weiterführende Informationen: Verfügbarkeit in Deutschland

Aufgrund von Lieferengpässen bei Digitoxin sollten Neueinstellungen mit Digoxin erfolgen (Stand: Juni 2023). Zur Umstellung von Digitoxin auf Digoxin siehe 33577.

6.1.3.4 Orale Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmer

Empfehlung

6-13 | e | bestätigt 2023

Patient*innen mit Herzinsuffizienz ohne weitere Indikation zur Blutgerinnungshemmung sollen keine Antikoagulanzien oder Thrombozytenaggregationshemmer erhalten.

Starke Negativ-Empfehlung

RationaleRationale

Bei niedriger bis hoher Aussagesicherheit der Evidenz ergibt sich für Antikoaguluation bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz und Sinus-Rhythmus kein Vorteil, aber ein erhöhtes Blutungsrisiko. Entsprechend ist aus Sicht der Leitliniengruppe eine orale Antikoagulation bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz nur indiziert, wenn Erkrankungen wie Vorhofflimmern, Zustand nach mechanischem Herzklappenersatz, intrakavitäre Thromben oder Zustand nach Lungenarterienembolie/tiefer Beinvenenthrombose vorliegen. Die Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern ist bei Herzinsuffizienz nur indiziert, wenn andere Erkrankungen wie KHK, pAVK oder zerebrovaskuläre Insuffizienz dies notwendig machen. Der starke Empfehlungsgrad ist insbesondere durch das Nichtschadenprinzip begründet.

 Evidenzgrundlage Empfehlungsgrundlage

Die Empfehlung wurde aus der Vorauflage der NVL übernommen und durch in der themenübergreifenden Recherche zu Version 4 identifizierte Evidenz bestätigt.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Ein in der themenübergreifenden Recherche für Version 4 der NVL identifizierter Cochrane-Review fand in 3 RCTs (n = 5 498) zu Warfarin (niedrige Aussagesicherheit) und Rivaroxaban (hohe Aussagesicherheit) keine Evidenz für einen Nutzen von oralen Antikoagulanzien bzw. Thrombozytenaggregationshemmern bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz und Sinusrhythmus bezüglich der Mortalität. Bezüglich Warfarin und Rivaroxaban besteht aufgrund des Risikos von Blutungen zudem ein ungünstiges Nutzen-Schaden-Verhältnis (niedrige bzw. moderate Aussagesicherheit) 33352. Der Review bestätigt die Ergebnisse der für die Vorauflagen der NVL zitierten Evidenz 25605, 25604, 25597.

 Informationen Weiterführende Informationen: Spezifische Leitlinien

Für die Therapie mit oralen Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmern existieren spezifische Leitlinien:25603, 26449

6.2 Medikamentöse Therapie bei Herzinsuffizienz mit mäßig reduzierter Ejektionsfraktion (HFmrEF)

Empfehlung

6-14 | e | neu 2023

Patient*innen mit mäßig reduzierter Ejektionsfraktion (HFmrEF) kann in Anlehnung an die Empfehlungen zur medikamentösen Behandlung bei reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) ein RAS-Inhibitor, ein Betarezeptorenblocker bzw. ein Mineralokortikoidrezeptorantagonist empfohlen werden.

Offene Empfehlung

6-15 | e | neu 2023

Patient*innen mit mäßig reduzierter Ejektionsfraktion (HFmrEF) sollte in Anlehnung an die Empfehlungen zur medikamentösen Behandlung bei reduzierter (HFrEF) und bei erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) ein SGLT2-Inhibitor empfohlen werden.

Abgeschwächte Empfehlung

6-16 | e | neu 2023

Patient*innen mit HFmrEF, die Zeichen einer Flüssigkeitsretention aufweisen, sollen Diuretika empfohlen werden.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Für Patient*innen mit einer mäßig reduzierten linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF 41–49%) ("heart failure with midly reduced ejection fraction, HFmrEF") wurden keine spezifischen Studien identifiziert, so dass die Evidenz aus den Studien zu Herzinsuffizienz mit reduzierter (HFrEF) bzw. erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) extrapoliert werden muss. Da die Ereignisraten bei HFmrEF mit denen bei HFrEF vergleichbar scheinen, kommen aus Sicht der Leitliniengruppe entsprechend ähnliche medikamentöse Optionen infrage. Aufgrund der indirekten Evidenz und der daher jeweils niedrigeren Aussagesicherheit wird eine offene Empfehlung für RAS-Inhibitoren, Betablocker und MRA ausgesprochen. Allerdings sind diese Medikamente häufig ohnehin über prognostisch relevante Komorbiditäten wie Diabetes mellitus, Nierenerkrankungen, KHK, Hypertension, Angina p. oder nach einem Myokardinfarkt indiziert (siehe Tabelle 16). Digitalisglykoside werden aufgrund von Hinweisen auf prognostisch negative Effekte nicht empfohlen.

Für SGLT2-Inhibitoren liegt Evidenz sowohl für HFrEF und HFpEF vor; eine Metaanalyse der in den vorliegenden Studien eingeschlossenen Patient*innen mit HFmrEF ergab einen Effekt auf einen Kompositendpunkt aus Herzinsuffizienz-bedingter Hospitalisierung und Mortalität. Da hier direkte Evidenz für die adressierte Patient*innengruppe vorliegt, ist die Aussagesicherheit der Evidenz höher und rechtfertigt eine explizite Empfehlung. Die multidisziplinäre NVL-Leitliniengruppe schwächt den Empfehlungsgrad jedoch ab, weil die Aussagesicherheit aufgrund von Indirektheit (Subgruppenanalyse) und Inkonsistenz niedriger ist als für die Gesamtpopulation in den zugrundeliegenden Studien (moderat). Die unterschiedliche Einschätzung wird auch dadurch illustriert, dass in der öffentlichen Konsultation der NVL sowohl Kommentare für eine Anhebung als auch für eine weitere Abschwächung des Empfehlungsgrades eingingen.

Zu beachten ist, dass die Abschätzung der LVEF je nach Untersuchendem, nach verwendetem Gerät sowie auch intraindividuell schwanken können (vgl. Kapitel 3.1.3 Echokardiographie), was bei mäßig reduzierter LVEF über die Zuordung zu entweder HFrEF oder HFpEF zu erheblich unterschiedlichen Behandlungsempfehlungen führen kann.

Zur Rationale für Diuretika siehe Kapitel 6.1.2.1 Diuretika.

Für Empfehlungen zur Reihenfolge der Initiierung und Titration siehe Kapitel 6.4.1 Titrierung und Dosierung. Für ggf. abweichende Empfehlungen bei bestimmten Begleiterkrankungen siehe Kapitel 8 Komorbiditäten (2019) sowie Kapitel 4.3 Multimorbidität. Zur Anpassung der Medikation im Rahmen der Palliativversorgung siehe Kapitel 11.5 Therapiebegrenzung in der Sterbephase.

 Evidenzgrundlage Empfehlungsgrundlage

Zu SGLT2-Inhibitoren sowie Sacubitril/Valsartan erfolgte eine systematische Recherche nach RCT. Für andere Substanzgruppen wurden die Evidenz für HFrEF sowie die in einer internationalen Leitlinie zitierte Literatur geprüft 33379, 33883. Die Empfehlung zu Diuretika ist identisch mit der zum Vorgehen bei HFrEF (vgl. Kapitel 6.1.2.1 Diuretika).

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Für Patient*innen mit HFmrEF konnten keine spezifischen Studien identifziert werden. Evidenz liegt zumeist aus retrospektiven Subgruppenanalysen vor, wobei Patient*innen mit HFmrEF im Vergleich zum Anteil der Patient*innen mit HFrEF oder HFpEF in den Studien aber unterrepräsentiert waren:

  • SGLT2-Inhibitoren: In die Studien zu HFpEF waren Patient*innen mit einer LVEF > 40% eingeschlossen. In der DELIVER-Studie war der Effekt von Dapagliflozin bezüglich des primären Komposit-Endpunktes bei HFmrEF (LVEF < 49%) nicht signifikant (207/1 067 vs. 229/1049, HR 0,87 (0,72–1,04) 33391, während in EMPEROR-preserved Empagliflozin auch bei diesen Patient*innen den primären Endpunkt signifikant verbesserte (HR 40–49% 0,71 (0,57; 0,88) 33393, bei jeweils innerhalb der Studien vergleichbaren Subgruppen-Größen und Eventzahlen. Eine Metaanalyse der beiden Studien ergab für den kombinierten Endpunkt kardiovaskuläre Mortalität oder erste Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierung bei Patient*innen mit LVEF 41–49% (n = 4  099) einen Effekt (HR 0,78 (95% KI 0,67; 0,90)) 33397.
  • ACE-Hemmer: In die PEP-CHF-Studie zu Perindodpirl bei älteren Patient*innen war auch eine Teilpopulation mit LVEF > 40 eingeschlossen, es gab aber keine entsprechende Subgruppenanalyse 12824.
  • ARB: In die CHARM-Studie zu Candesartan waren sowohl Patient*innen mit HFrEF (n = 4 323), HFmrEF (n = 1 322) als auch HFpEF (n = 1 953) eingeschlossen. Eine retrospektive Subgruppenanalyse zeigt für die HFmrEF eine ähnliche Effektivität wie für die HFrEF-Gruppe mit Effekten Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierungen (33395 zitiert nach 33379).
  • ARNI: In einer retrospektiven Analyse der PARAGON-HF nach LVEF-Subgruppen wurde der primäre Endpunkt bei Patient*innen, deren LVEF unter dem Median von 57% lag, reduziert, bei Patient*inen mit einer LVEF ≥ 57% war der Effekt nicht signifikant 29772.
  • Betablocker: In einer individualdatenbasierten retrospektiven Metaanalyse von 11 Studien (n = 14 262) reduzierten Betablocker die Gesamtmortalität und die kardiovaskuläre Mortalität im Vergleich zu Placebo unabhängig von der LVEF, mit Ausnahme der Untergruppe mit LVEF ≥ 50%. Bei Patient*innen mit Vorhofflimmern wirkten sich Betablocker zwar positiv auf die LVEF aus, hatten aber keine prognoseverbessernden Effekte (33396, zitiert nach 33379). In der SENIORS-Studie zu Nebivolol, in der 35% der Patient*innen eine LVEF 35–50% hatten, zeigte sich ebenfalls keine Interaktion zwischen LVEF und dem Effekt der Intervention 7506.
  • MRA: In einer retrospektiven Analyse der TOPCAT-Studie, die Patient*innen mit einer LVEF > 45% einschloss, profitierte die Subruppe mit einer LVEF < 55% am meisten bezüglich prognostischer Endpunkte wie z. B. Herzinsuffizienz-bedingten Hospitalisierungen, wobei auch hier keine statistische Signifkanz erreicht wurde 25022.
  • Digoxin: In die DIG-Studie waren sowohl Patient*innen mit HFrEF (n = 5 874), HFmrEF (n = 1 195) als auch HFpEF (n = 719) eingeschlossen 12819. Eine retrospektive Analyse ergab für die HFmrEF-Subgruppe einen Trend zu weniger Hospitalisierungen, aber auch einen Trend zu höherer kardiovaskulärer Mortalität (33394, zitiert nach 33379).
  • Ivabradin: Für die ESC-Leitlinie wurde keine Evidenz zu LVEF-Subgruppen identifiziert (ESC 2021), ebenso nicht in einer orientierenden Recherche für Version 4 der NVL.
  • Diuretika: vgl. Kapitel 6.1.2.1 Diuretika.

Die Ereignisraten in den HFmrEF-Subgruppen waren ähnlich wie in der HFrEF-Population 33395, 33396, 33394.

6.3 Medikamentöse Therapie bei Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFpEF)

Empfehlung

6-17 | e | neu 2023

Patient*innen mit Herzinsuffizienz und erhaltener linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFpEF) sollte ein SGLT2-Inhibitor (Empagliflozin, Dapagliflozin) empfohlen werden.

Abgeschwächte Empfehlung

6-18 | e | modifiziert 2023

Patient*innen mit Herzinsuffizienz und erhaltener linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFpEF) und Zeichen einer Flüssigkeitsretention soll ein Diuretikum empfohlen werden.

Starke Empfehlung

6-19 | k | bestätigt 2023

Wenn bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz und erhaltener linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFpEF) Komorbiditäten vorliegen, sollen diese gemäß der jeweiligen Leitlinie behandelt werden.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Bei Behandlung mit den SGLT2-Inhibitoren Empagliflozin und Dapagliflozin ergaben sich bei Patient*innen mit HFpEF mit hoher Aussagesicherheit Effekte auf die primären Komposit-Endpunkte. Die kardiovaskuläre und die Gesamtmortalität wurden jeweils nicht signifikant verbessert, dies kann auch den jeweils geringen Ereignisraten der Einzelendpunkte geschuldet sein. Gleichwohl bewertet die Leitliniengruppe SGLT2-Inhibitoren wegen der Effekte auf den primären Endpunkt als prognoseverbessernde Therapieoption. Die primären Endpunkte wurden jeweils erreicht, es besteht ein hoher Bedarf an prognoseverbessernden Therapien für HFpEF und die Leitliniengruppe schätzt SGLT2-Inhibitoren als verhältnismäßig nebenwirkungsarm ein. Hinzu kommen diuretikasparende und nephroprotektive Effekte. Andererseits wurden im Gegensatz zu den HFrEF-Studien die Mortalität und auch fast alle anderen Einzelkomponenten der Kompositendpunkte nicht beeinflusst, so dass das Ausmaß des Nutzens von der multidisziplinären NVL-Leitliniengruppe als geringer eingeschätzt wird. Hinzu kommen Bedenken bezüglich Nebenwirkungen (Sturzneigung), insbesondere bei multimorbiden bzw. gebrechlichen Patient*innen. In der formellen Abstimmung wurde nur für einen abgeschwächten Empfehlungsgrad ein Konsens erzielt. Die unterschiedliche Einschätzung wird auch dadurch illustriert, dass in der öffentlichen Konsultation der NVL sowohl Kommentare für eine Anhebung als auch für eine weitere Abschwächung des Empfehlungsgrades eingingen.

Zur Rationale für Diuretika siehe Kapitel 6.1.2.1 Diuretika.

Da bei HFpEF verschiedene Begleiterkrankungen eine prognostische Bedeutung haben, empfiehlt die Leitliniengruppe konsensbasiert deren leitliniengerechte Behandlung (siehe Kapitel 8 Komorbiditäten (2019) sowie Tabelle 16). Zwar wurde zu RAS-Inhibitoren und Betablockern in randomisierten Studien zu HFpEF kein Nutzen hinsichtlich Mortalität, Morbidität und verbesserter Symptomatik nachgewiesen; dennoch sind sie häufig über relevante Begleiterkrankungen indiziert.

Für ggf. abweichende Empfehlungen bei bestimmten Begleiterkrankungen siehe Kapitel 8 Komorbiditäten (2019) sowie Kapitel 4.3 Multimorbidität. Zur Anpassung der Medikation im Rahmen der Palliativversorgung siehe Kapitel 11.5 Therapiebegrenzung in der Sterbephase.

 Evidenzgrundlage Empfehlungsgrundlage

Zu SGLT2-Inhibitoren und ARNI erfolgte eine systematische Recherche nach RCT. Für Betarezeptorenblockern, ACE-Hemmern, ARB und MRA wurde in der themenübergreifenden systematischen Recherche ein Cochrane-Review identifiziert. Für weitere bei HFpEF untersuchte Medikamente wurde die Evidenz auf der Vorauflage der NVL übernommen.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Ein Cochrane-Review 33351 untersuchte die Effektivität verschiedener Substanzgruppen bei Patient*innen mit HFpEF (LVEF > 40%):

  • ACE-Hemmer: Im Vergleich zu Placebo ergaben sich keine signifikanten Effekte auf klinische Endpunkte (2–5 RCTs, n ≤ 1 187; Aussagesicherheit moderat)
  • ARB: Im Vergleich zu Placebo ergaben sich keine signifikanten Effekte auf klinische Endpunkte (3–4 RCTs, n≤7254; Aussagesicherheit hoch) bei erhöhtem Hyperkaliämie-Risiko RR 1,88 (95% KI 1,07; 3,33); 2 RCTs, n = 7 148; Aussagesicherheit hoch).
  • ARNI: Im Vergleich zu Placebo ergaben sich kleine, grenzwertig signifikante Effekte auf Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierungen (RR 0,89 (95% KI 0,80; 1,00); 2 RCTs, n = 7 362; Aussagesicherheit moderat); andere klinische Endpunkte wurden nicht signifikant verbessert.
  • Betablocker: Im Vergleich zu Placebo wurde die kardiovaskuläre Mortalität knapp reduziert (RR 0,78 (95% KI 0,62; 0,99); NNT 25; 3 RCT, n = 1 046; Aussagesicherheit niedrig). Der Effekt auf die Gesamtmortalität war grenzwertig (RR 0,82 (95% KI 0,67; 1,00); 4 RCTs, n = 1 105; Aussagesicherheit niedrig).
  • MRA: Im Vergleich zu Placebo ergab sich ein signfikanter Effekt auf Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierungen (RR 0,82 (95% KI 0,69; 0,98); NNT= 41; 3 RCTs, n = 3 714; Aussagesicherheit moderat); andere klinische Endpunkte wurden nicht signifikant verbessert. Hyperkaliämien kamen unter MRA-Behandlung häufiger vor (RR 2,11 (95% KI 1,77; 2,51); NNH = 11; 6 RCTs, n = 4 291; Aussagesicherheit hoch) 33351.

Bezüglich Digitalisglykosiden ergab sich in der DIG-PEF-Studie zu Digoxin kein signifikanter Effekt auf den Komposit-Endpunkt herzinsuffizienzbedingte Mortalität und herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierungen (25614. Auch Phosphodiesterase-5-Hemmer (Sildenafil) wurden bei einer HFpEF-Population untersucht. Hier zeigte sich keine Veränderung der maximalen Belastungsfähigkeit (VO2peak p = 0,90) 25923.

Zu SGLT2-Inhibitoren wurden in einer systematischen Recherche zwei große und einige kleinere RCTs identifiziert:

  • In die EMPEROR-preserved-Studie zu Empagliflozin wurden 5 988 Patient*innen mit einer LVEF >40% (HFmrEF und HFpEF) eingeschlossen, die größtenteils mit RAS-Inhibitoren (81%), Betablockern (86%) und Diuretika (86%) vorbehandelt waren, 37% auch mit MRA. Das mediane Alter lag bei 72 Jahren (+/- 9), 45% der Teilnehmenden waren weiblich und 82% waren leicht symptomatisch (NYHA II). Der primäre Endpunkt, kardiovaskulärer Tod oder Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierung, war nach median 26,2 Monaten unter Empagliflozin gegen über Placebo verbessert (13,8% vs. 17,1%; HR 0,79 (95% KI 0,69; 0,90)). Getriggert wurde das Ergebnis durch die Reduktion Herzinsuffizienz-bedingter Hospitalisierungen (8,6% vs. 11,8%; HR 0,71 (95% KI 0,60; 0,83)), wohingegen Mortalitätsendpunkte sowie Gesamthospitalisierungen nicht verbessert wurden. Es gab auch keine signifikanten Effekte auf renale Endpunkte. In Subanalysen zum primären Endpunkt ergaben sich für Patient*innen mit einer LVEF < 50% (n = 1 983) sowie LVEF 50–59% (n = 2 058) statistisch signifikante Effekte (HR 0,71 (95% KI 0,57; 0,88) resp. HR 0,80 (95% KI 0,64; 0,99); nicht aber für Patient*innen mit einer LVEF > 60% (n = 1 947; HR 0,87 (95% KI 0,69; 1,10). Auch Patient*innen unter 70 Jahren, mit einer BMI > 30 sowie mit MRA-Behandlung zu Studienbeginn profitierten nicht statistisch signifikant. Die Interaktionstests ergaben für die genannten Subgruppen jedoch keine signifikanten Interaktions-p-Werte, so dass die Ergebnisse vermutlich auf mangelnde statistische Power für die Subgruppen zurückzuführen sind. In der Empagliflozin-Gruppe kam es häufiger zu Hypotension (10,4% vs. 6,6%), symptomatischer Hypotension (8,6% vs. 5,2%), Harnweginfektionen (9,9% vs. 8,1%) und genitalen Infektionen (2,2% vs. 0,7%) 33393.
  • In die DELIVER-Studie zu Dapagliflozin wurden 6 263 Patient*innen mit einer LVEF >40% (HFmrEF und HFpEF) eingeschlossen, die größtenteils mit RAS-Inhibitoren (78%), Betablockern (83%) und Diuretika (77%) vorbehandelt waren, 43% auch mit MRA. Das mediane Alter lag bei 72 Jahren (+/- 10), 44% der Teilnehmenden waren weiblich und 75% waren leicht symptomatisch (NYHA II). Primärer Endpunkt war ein Komposit aus verschlechterter Herzinsuffizienz (ungeplante Hospitalisierung oder dringende Arztbesuche wegen Herzinsuffizienz) und kardiovaskulärer Mortalität (time-to-event Analyse). Nach median 2,3 Jahren war der Endpunkt bei 16,4% der Patient*innen unter Dapgliflozin aufgetreten, gegenüber 19,5% in der Placebo-Gruppe (HR 0,82 (95% KI 0,73; 0,92). Bezüglich der Einzelkomponenten des Kompositendpunktes wurde die Rate an Herzinsuffizienz-bedingten Hospitalisierungen verbessert (10,5 vs. 13,3%; HR 0,77 (95% KI 0,67; 0,79), nicht aber die kardiovaskuläre Mortalität und die Zahl der dringenden Arztbesuche. In Subanalysen zum primären Endpunkt ergaben sich konsistente Effekte unabhängig von Alter, Geschlecht oder NYHA-Klasse. Bei Patient*innen mit einer LVEF ≤49% (n=2116) ergaben sich keine statistisch signifikanten Effekte (HR 0,87 (95% KI 0,72; 1,04), wohingegen Patient*innen mit einer LVEF 50–59% (n = 2 256) sowie ≥ 60% (n = 1 891) profitierten (HR 0,79 (0,65; 0,97) resp. HR 0,78 (95% KI 0,62; 0,98). Auf eine Erhebung von Sicherheitsdaten wurde mit Ausnahme von schwerwiegenden und Studienabbruch-begründenden Ereignissen verzichtet, da dazu bereits ausreichend Daten vorlägen. Hypotension führte bei 6 vs. 1 Patient*innen zum Studienabbruch, Harnwegsinfektionen bei 11 vs. 6 Patient*innen 33391.

Eine präspezifizierte Analyse adressierte die Effektivität nach Frailty-Index. In DELIVER waren 50,4% der Patient*innen nicht gebrechlich (Frailty-Klasse 1), 33,9% etwas gebrechlich (Frailty-Klasse 2) und 15,7% am gebrechlichsten (Frailty-Klasse 3). In der Frailty-Klasse 3 traten mehr Ereignisse auf als in den Klassen 1 oder 2, aber der Nutzen von Dapagliflozin war über alle Gruppen konsistent, mit den größten absoluten Reduktionen bei den gebrechlichsten Patient*innen. Unerwünschte Effekte waren bei den gebrechlichsten Patient*innen am häufigsten, aber nicht unterschiedlich zwischen Interventions- und Kontrollgruppe 33392.

Zusammenfassend hatten beide SGLT2-Inhibitoren Effekte auf die jeweiligen klinischen Komposit-Endpunkte, aber im Gegensatz zu den HFrEF-Studien wurden die Mortalität und auch fast alle anderen Einzelkomponenten der Kompositendpunkte nicht beeinflusst. Die Auswertung nach LVEF ergab widersprüchliche Ergebnisse: Während bei Empagliflozin signifikante Effekte eher bei leicht reduzierter LVEF (HFmrEF) auftraten, profitierten von Dapagliflozin eher Patient*innen mit (fast) vollständig erhaltener LVEF. In einer Metaanalyse der beiden Studien war der Effekt über alle LVEF-Subgruppen hinweg signifikant 33397.

Auf Basis dieser Ergebnisse hat die EMA die Zulassung für Empagliflozin und Dapagliflozin auf Patient*innen mit HFpEF und HFmrEF erweitert. Im deutschen Nutzenbewertungsverfahren sah der G-BA für beide Wirkstoffe in der Indikation HFpEF einen "Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen" 33871, 33872.

 Überlegungen Weitere Gründe für Empfehlungsgrad und -formulierung

Aufgrund einer gemeinsamen Ätiologie und Pathogenese kommen Begleiterkrankungen bei HFpEF sehr häufig vor und haben auch prognostische Bedeutung, insbesondere arterielle Hypertonie, KHK und chronische Nierenerkrankungen, aber auch Diabetes oder Adipositas 33975. Daher ist eine Indikation beispielsweise für RAS-Inhibitoren und Betablocker bei HFpEF häufig über eine Komorbidität gegeben (vgl. Tabelle 16), ohne dass die Substanzen direkte prognoseverbessernde Effekte auf die HFpEF haben. Baseline-Daten der Studien zu HFpEF zeigen, dass nur ein kleiner Anteil an HFpEF-Patient*innen nicht mit RASi oder Betablockern vorbehandelt ist.

 Patientenblatt Patientenmaterialien

6.4 Empfehlungen zur praktischen Durchführung einer medikamentösen Therapie

6.4.1 Titrierung und Dosierung

Empfehlung

6-20 |e/k |neu 2023

Die Reihenfolge der Initiierung und die Dosierung der Medikamente bei chronischer Herzinsuffizienz soll sich am Nebenwirkungsspektrum, an den jeweiligen Komorbiditäten und der individuellen Verträglichkeit orientieren und nach folgenden Prinzipien erfolgen:

  • Initiierung möglichst nacheinander, nicht > 2 Substanzen gleichzeitig,
  • Titrierung möglichst in 2- bis 4-wöchentlichen Intervallen,
  • Titrierung bis zur Zieldosis oder zur höchsten individuell verträglichen Dosis,
  • Austitrierung einer Substanz ist nicht Voraussetzung für Initiierung einer weiteren Substanz,
  • engmaschige Überwachung (Tabelle 17).

Starke Empfehlung

6-21 | k | neu 2023

Mit den Patient*innen soll besprochen werden, zu welchen relevanten Nebenwirkungen es während der Initiierung und Auftitrierung der Medikation kommen kann und wie sie sich dann verhalten können (siehe Patientenblatt "Was sollte ich beachten, wenn ich neue Medikamente erhalte?").

Starke Empfehlung

Tabelle 17:  Empfehlungen zum ambulanten Monitoring während der Ein- und Umstellungsphase der medikamentösen Behandlung der Herzinsuffizienz

Parameter

Intervall/Zeitpunkt

Dyspnoe, Ödeme, Gewicht, Blutdruck, Herzfrequenz1

vor Beginn; 2–3-mal wöchentlich

bis zum Erreichen der Zieldosis/der maximal verträglichen Dosis bei gleichzeitig befriedigendem Therapieeffekt

Elektrolyte, Nierenretentionswerte, eGFR2

vor Beginn; bei normalen Werten alle 1–2 Wochen; bei pathologischen Werten individuell häufiger

Re-Evaluation des Therapieeffekts; ggf. Entscheidung über weitere Therapieintensivierung

6–12 Wochen nach Beendigung der Ein- und Umstellungsphase3

1   Sofern ein adäquates Vermögen vorhanden ist, kann die Messung von Gewicht, Blutdruck und Herzfrequenz auch im Rahmen des Selbstmanagements erfolgen, alternativ durch Pflegepersonal; bei Überschreitung individuell festgelegter Schwellenwerte Kontaktaufnahme zu Arzt/Ärztin (vgl. Kapitel 5.6 Selbstmanagement). Auch die Messung im Rahmen von Telemonitoring ist möglich (vgl. Kapitel 12.3.3 Telemonitoring).

2   Monitoring nur bei Änderung der Medikation bzw. Dosierung diesbezüglich relevanter Substanzklassen

3   Dauer der Ein- bzw. Umstellungsphase so kurz wie möglich und so lang wie nötig, je nachdem wie viele und welche Medikamente initiiert und auftitriert werden und welche Probleme ggf. auftreten

Für Empfehlungen zu Verlaufskontrollen nach der Einstellungsphase siehe Tabelle 18; zum Monitoring bei akuter Dekompensation siehe Kapitel 9 Akute Dekompensation (2019).

RationaleRationale

Eine konsequente und zügige Auftitrierung der Medikation, kombiniert mit einer engmaschigen Nachsorge, war in den Studien zu prognoseverbessernden Substanzen bei HFrEF mit einem schnellen Ansprechen verbunden. In der Versorgungspraxis wird nach Wahrnehmung der Leitliniengruppe die Herzinsuffizienz-Medikation jedoch häufig nicht zeitnah und vor allem nicht bis zur evidenzbasierten Zieldosis auftitriert. Dies wird auch durch Evidenz aus der Versorgungspraxis gestützt, wobei unklar bleibt, ob dies eine Folge ärztlicher oder patientenseitiger Nichtadhärenz ist oder ob die Dosis aufgrund von Unverträglichkeit bewusst reduziert wurde.

Bezüglich der Reihenfolge der Initiierung wurde keine vergleichende Evidenz für die verschiedenen denkbaren Schemata identifiziert. Die Leitliniengruppe empfiehlt daher, sowohl die Reihenfolge der Initiierung der verschiedenen Medikamente als auch deren Auftitrierung individuell je nach Komorbidität, Nebenwirkungsspektrum und individueller Verträglichkeit zu handhaben.

Den starken Empfehlungsgrad begründet neben dem wahrgenommenen Versorgungsproblem vor allem das Nichtschadens-Prinzip. Die Start- und Zieldosen sind den jeweiligen Fachinformationen zu entnehmen.

Insbesondere in der Initiierungs- und Auftitrierungsphase können Nebenwirkungen erstmals und/oder verstärkt auftreten. Dies kann neben der Sicherheit auch die Adhärenz beeinträchtigen. Daher empfiehlt die Leitliniengruppe konsensbasiert ein engmaschiges Monitoring (siehe Tabelle 17). Sofern die Patient*innen dazu kognitiv in der Lage sind, kann die Messung der Vitalparameter auch im Rahmen des Selbstmanagements erfolgen, alternativ durch ambulantes Pflegepersonal. Dazu können individuell Schwellenwerte vereinbart werden, bei deren Überschreitung eine Kontaktaufnahme mit der behandelnden Ärztin/dem behandelnden Arzt erfolgen soll (siehe Kapitel 5.6 Selbstmanagement).

Die Dauer der Ein- bzw. Umstellungsphase kann sehr verschieden sein, je nachdem wie viele und welche Medikamente initiiert und auftitriert werden müssen und welche Probleme ggf. auftreten. Im Hinblick auf die prognoseverbessernden Effekte sollte der Zeitraum so kurz wie möglich und im Hinblick auf die Sicherheit so lang wie nötig sein.

Als orientierenden Zeitpunkt für eine Re-Evaluation des Therapieffekts und – bei Fortbestehen der Symptomatik – für eine weitere Therapieintensivierung schlägt die Leitliniengruppe im ambulanten Kontext möglichst 6 bis maximal 12 Wochen nach Beendigung der Ein- und Umstellphase vor.

Die konsensbasierte Empfehlung zur Kommunikation von möglichen Problemen und entsprechenden Verhaltens­tipps zielt ebenfalls darauf, die Einstellungsphase möglichst sicher zu gestalten sowie auf eine Verbesserung der Adhärenz. Bei informierten Patient*innen erscheint die Gefahr eines eigenmächtigen Absetzens der Medikation bei Auftreten von Nebenwirkungen oder auch bei Ausbleiben einer schnellen Besserung der Symptomatik unter langfristig prognoseverbessernden Medikamenten geringer. Das Schadenvermeidungs- sowie das Autonomie-Prinzip begründen den starken Empfehlungsgrad.

 Evidenzgrundlage Empfehlungsgrundlage

Die Empfehlung zu Initiierung und Auftitration basiert auf dem in den systematisch recherchierten klinischen Studien gewählten Vorgehen, ergänzt um selektiv eingebrachte Evidenz aus Versorgungsdaten sowie Sicherheits- und versorgungspraktische Aspekte. Die Empfehlung zur Patienteninformation ist konsensbasiert und basiert auf Überlegungen zu Sicherheit und Adhärenz.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Für Evidenz zu den Einzelsubstanzen siehe Abschnitt 6.1.1 Prognoseverbessernde Medikation. Die Start- und Zieldosierungen sowie Hinweise zur Titration und Dosierung der Herzinsuffizienz-Medikation bei bestimmten Patientengruppen sind den jeweiligen Fachinformationen zu entnehmen.

Substanzklassen-übergreifende Evidenz

In der selektiv eingebrachten STRONG-HF-Studie wurden Patient*innen, die aufgrund akuter Herzinsuffizienz hospitalisiert waren (n = 1 078), zur üblichen oder zu einer hochintensiven Versorgung randomisiert, bei der innerhalb von zwei Wochen nach der Entlassung die Medikation auf 100% der Zieldosis titriert wurde und in vier ambulanten Kontrollterminen innerhalb von zwei Monaten der klinische Status und die Laborwerte inkl. NT-proBNP überwacht wurden. Primärer Kompositendpunkt war die Rate an Rehospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz oder Gesamtmortalität nach 180 Tagen. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, weil die Unterschiede zwischen den Gruppen größer waren als erwartet: In der Interventionsgruppe waren bei 55% der Patient*innen die RASi auf die Zieldosis auftitriert worden, in der Kontrollgruppe bei 2%. Bei Betablockern lagen die Werte bei 49% vs. 4% und bei MRA bei 84% vs. 46%. Nach 180 Tagen war bei 15,2% vs. 23,3% der Patient*innen der primäre Endpunkt eingetreten (RR 0,66 (95% KI 0,50; 0,86)), wobei das Ergebnis wesentlich durch die Reduktion der Herzinsuffizienz-bedingten Re-Hospitalisierungen getriggert wurde (9,5% vs. 17,1%; RR 0,56 (95% KI 0,38; 0,81)). Zudem hatten sich bis zum 90. Tag auch Blutdruck, Puls, NYHA-Klasse, Körpergewicht und NT-proBNP-Wert in der Interventionsgruppe stärker verringert als in der Kontrollgruppe. Allerdings traten unter hochintensiver Behandlung auch mehr unerwünschte Ereignisse auf (41% vs. 29%), z. B. Hypotension 5,0% vs. 0,4%, Hyperkaliämie 3,3% vs. 0%, Nierenschädigung 2,6% vs. 0,2% 33382. Bezüglich bislang nicht wegen Herzinsuffizienz hospitalisierter Patient*innen ist die Evidenz indirekt.

ARNI

In der PARADIGM-HF-Studie wurden nach einer Run-in-Phase alle Patient*innen ausgeschlossen und nicht randomisiert, die die Zieldosis von Enalapril oder Sacubitril/Valsartan nicht tolerierten. Eine Post-hoc-Analyse der Studie ergab, dass bei 42% der Patient*innen unter Sacubitril/Valsartan die Dosierung reduziert wurde (Enalapril: 43%). Bei 40% dieser Patient*innen (Enalapril: 35%) wurde später wieder zur Zieldosis auftitiert. Bezüglich des primären Endpunkts unterschied sich der Effekt von Sacubitril/Valsartan gegenüber Enalapril bei Patient*innen nach Dosisreduktion (HR 0,80 (95% KI 0,70; 0,93); n = 3 549) nicht von denen ohne Dosisreduktion (HR 0,79 (95% KI 0,71; 0,88); n = 4 850) 33333. Aufgrund der Vorselektion durch die Run-in-Phase lässt die Studie keine Aussage zu denjenigen Patient*innen zu, bei denen die Zieldosis initial nicht erreicht werden konnte. Eine Post-hoc-Analyse der PARADIGM-Studie (ca. 42% aller eingeschlossenen Patient*innen) deutet darauf hin, dass auch niedrigere Dosierungen effektiv sind 33333.

In der TITRATION-Studie (n = 498) wurde eine Auftitrierung von Sacubitril/Valsartan in 3- oder 6-wöchigen Schritten verglichen. Mit dem langsameren Schema wurde bei mehr Patient*innen die Zieldosis erreicht (84,3% vs. 77,8%), insbesondere wenn sie zuvor noch keinen ACEi/ARB erhalten hatten (84,9% vs. 73,6%). Auch hinsichtlich der Sicherheit bezüglich Hypotonie (8,4% vs. 9,7%), Nierenfunktionsstörungen (7,6% vs. 7,3%), Hyperkaliämie (4,4% vs. 7,7%), Serumkalium > 5,5 mmol/L (4,0% vs. 7,3%) sowie Serumkreatinin > 3,0 mg/dL (0% vs. 0,4%) war das langsamere Schema von Vorteil, wobei die Unterschiede keine statistische Signifikanz erreichten. Nach 10 Wochen wurde die Zieldosis nur bei der Hälte der Patient*inen erreicht 33308. Dabei erwies sich eine langsamere Titrierung als sicherer, wobei die Zieldosis auch unter Studienbedingungen nach 10 Wochen nur bei der Hälte der Patient*innen erreicht wurde 33308.

SGTL2-Inhibitoren

SGLT2-Inhibitoren müssen nicht auftitriert werden; hier lässt die Evidenz lediglich Aussagen zum Zeitpunkt des Eintretens positiver Effekte nach Initiierung zu: Im bisher einzigen publizierten größeren RCT zu SGLT2-Inhibitoren bei akuter Herzinsuffizienz zeigte sich der klinische Benefit der Initiierung von Empagliflozin gegenüber Placebo bereits nach 90 Tagen (33304; siehe Evidenzbeschreibung SGLT2-Inhibitoren). Im chronischen Setting war in der Dapa-HF-Studie 3 Monate nach der Randomisierung der primäre Kompositendpunkt bei 10% (226/2 373) der Patient*innen eingetreten gegenüber 12% (296/2 371) unter Placebo; was vor allem von der geringeren Rate an Hospitalisierungen (9% vs. 12%) getriggert war 29798. In der EMPEROR-reduced-Studie zeigten sich für Empagliflozin ähnlich frühe Effekte; hier war der primäre Kompositendpunkt nach 3 Monaten bei 100/1863 (5%) bzw. 152/1 867 (8%) Patient*innen eingetreten 30922.

Versorgungsdaten

Die selektiv eingebrachte Beobachtungsstudie EVOLUTION-HF basiert auf Versorgungsdaten aus Japan, den USA und Schweden (n=266589). Nach 12 Monaten hatten 75,7% (Dapagliflozin), 28,2% (Sacubitril/Valsartan), 20,1% (ACE-Hemmer), 6,7% (ARB), 7,2% (Betablocker) und 5,1% (MRA) die jeweiligen Zieldosen erreicht. Zu Therapieabbrüchen kam es bei 23,5% (Dapagliflozin), 26,4% (Sacubitril/Valsartan), 38,4% (ACE-Hemmer), 33,4% (ARB), 25,2% (Betablocker) und 42,2% (MRA) der Patient*innen 33334. Die Gründe für das Absetzen und die Dosisabweichungen wurden nicht erhoben, so dass unklar bleibt, ob bzw. in welchem Ausmaß ärztliche oder patientenseitige Nichtadhärenz zu Indikation oder Dosierungsempfehlungen oder aber bewusste Entscheidungen aufgrund von Unverträglichkeit ursächlich für die Unterdosierung waren.

 Überlegungen Weitere Gründe für Empfehlungsgrad und -formulierung

Patient*innen mit Herzinsuffizienz sind häufig älter (> 65 Jahre) und multimorbide (siehe Kapitel 4.3 Multimorbidität). Dies gilt es sowohl bei der Wahl der Arzneimittel als auch bei der Dosierung zu beachten. Beispielweise kann die Zugabe von ACE-Hemmern zu einer blutzuckersenkenden Medikation (insbesondere Sulfonylharnstoffe, Glinide, Insulin) bei Patient*innen mit Diabetes mellitus zu verstärkter Blutzuckersenkung und Hypoglykämie führen; Salzrestriktion und Diuretika erhöhen den blutdrucksenkenden Effekt von ACE-Hemmern. Bei Patient*innen mit chronischen Nierenerkrankungen sind häufig Dosisadaptationen notwendig (siehe Kapitel 8.1 Nierenerkrankungen).

Im Rahmen der empfohlenen prognoseverbessernden Medikation bei Herzinsuffizienz spielt aus Sicht der Leitliniengruppe vor allem Hypotonie eine entscheidende Rolle, die mit Immobilität aufgrund von Orthostasebeschwerden, Stürzen und schlimmstenfalls Frakturen einhergehen und damit die Prognose insbesondere älterer Patient*innen verschlechtern kann.

Die Leitliniengruppe formuliert als Problem, dass bei einem Krankenhausaufenthalt derzeit häufig vier Substanzen gleichzeitig initiiert werden, die Nebenwirkungen aber erfahrungsgemäß meist erst im ambulanten Kontext zum Tragen kommen, weil erst dann die vollständige Wirkung der Medikation eintritt und weil die Patient*innen wieder mobiler werden. Aus Sicht der Leitliniengruppe ist eine langsame und engmaschig überwachte Titrierung wünschenswert. Dies ist aber im Krankenhaus aufgrund der kurzen Liegezeiten nicht möglich und auch ambulant schwer umsetzbar. Idealerweise erfolgt eine schrittweise Initiierung und Auftitierung im Rahmen einer stationären kardiologischen Rehabilitation im Anschluss an einen Klinikaufenthalt.

Die Leitliniengruppe diskutierte, ob es besser sei, vier Substanzgruppen in niedriger Dosierung einzusetzen als nur zwei in voller Dosierung. Gemäß pharmokodynamischen Überlegungen könnte es von Vorteil sein, möglichst viele verschiedene Wirkmechanismen zu kombinieren. Dafür existiert jedoch keine direkte Evidenz (siehe auch Diskussion Vierfachkombination vs. Stufentherapie in Abschnitt 6.1.1 Prognoseverbessernde Medikation). Die Leitliniengruppe ist sich einig, dass eine volle Auftitration keine Bedingung für die Initiierung weiterer Substanzen ist.

 Informationen Weiterführende Informationen: Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit während der Auftitrierung

Um das Hypotonie-Risiko zu reduzieren, sind geringe Anfangsdosen, eine langsame Auftitration und ggf. eine Korrektur von Volumenmangel und Reduktion der Diuretika-Dosis hilfreich. Kürzere Titrationsintervalle sind bei stationären oder engmaschiger überwachten ambulanten Patient*innen möglich. Werden mehrere Substanzen gleichzeitig initiiert, kann dies mit verstärkten Nebenwirkungen verbunden sein; vor allem ist es dann nicht möglich zu eruieren, welches Medikament die unerwünschten Effekte auslöst.

6.4.2 Komedikation

Empfehlung

6-22 | e | modifiziert 2023

Die Indikation von Wirkstoffen, die den klinischen Zustand oder die Prognose von Patient*innen mit Herzinsuffizienz negativ beeinflussen können (Tabelle 18), soll kritisch geprüft und mit den Patient*innen besprochen werden.

Starke Empfehlung

Tabelle 18:  Potenziell problematische Medikamente bei Herzinsuffizienz (modifiziert nach 25922, 33421, 33420)

Wirkstoffklasse/Wirkstoffe*

potenzielle Probleme im Herzinsuffizienz-Kontext

NSAR

Nicht-selektive (z. B. Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen)

Salz- und Wasserretention, Erhöhung des systemischen Gefäßwiderstandes, Verminderung der Diuretika-Wirkung

Selektive COX-2-Hemmer ("Coxibe")

Antidiabetika

Metformin

bei dekompensierter Herzinsuffizienz erhöhte Gefahr der Laktatazidose

Thiazolidindione/Glitazone: Pioglitazon

Ödeme

Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitoren/Gliptine (Saxagliptin)

Mechanismus und Klasseneffekt unklar, erhöhtes Risiko für Angioödeme

Antiarrhythmika

Klasse I: z. B. Flecainid, Propafenon Klasse III: z. B. Dronedaron, Sotalol

negativ inotrope bzw. proarrhythmische Effekte

Antihypertensiva

α1-Blocker: Doxazosin, Terazosin

Anstieg von Renin und Aldosteron

Nicht-Dihydropyridintyp-Kalziumkanalblocker: Diltiazem, Verapamil

negativ inotrope Effekte, Ödeme

Zentral wirkende α2-Agonisten (Moxonidin, Clonidin)

mögliche Hemmung des Sympathikotonus, Salz- und Wasserretention

Periphere Vasodilatatoren (Minoxidil, Dihydralazin)

Salz- und Wasserretention

Antimykotika

Itraconazol

negativ inotrope Effekte

Amphotericin B

medikamenten-induzierte Kardiomyopathie

ß2-Agonisten (LABA/SABA) (z. B. Salbutamol, Formoterol)

Erhöhung der Herzfrequenz, Arrhythmien

Antiepileptika

Carbamazepin

negativ inotrope und chronotrope Effekte

Pregabalin

L-Typ Kalziumkanal-Blockade, Salz- und Wasserretention

Psychopharmaka

Trizyklische Antidepressiva (Amitriptylin, Clomipramin, Imipramin u. a.)

negativ inotrope, proarrhythmische Effekte

Antipsychotika (v. a. Clozapin)

IgE-vermittelte Überempfindlichkeitsreaktionen, Kalziumkanal-Blockade

Urologika

α1-Blocker (Doxazosin, Tamsulosin, Terazosin)

Anstieg von Renin und Aldosteron

Die Tabelle stellt eine von der Leitliniengruppe vorgenommene Auswahl aus 25922, 33421, 33420 dar; für eine vollständige Darstellung mit Empfehlungsgrundlage und Handlungsempfehlungen siehe dort. Für adäquate und inadäquate Medikamente speziell bei älteren bzw. multimorbiden Patient*innen siehe auch FORTA- und Priscus-Liste (Kapitel 4.3 Multimorbidität).
*in der deutschen Versorgungspraxis häufig genutzte Wirkstoffbeispiele; einige sind bei Herzinsuffizienz kontraindiziert.

RationaleRationale

Die Leitliniengruppe sieht die Evidenz als belastbar an, dass bestimmte, aufgrund von Begleiterkrankungen indizierte Medikamente eine Herzinsuffizienz verursachen oder verschlechtern können. Aus Gründen der Schadensvermeidung empfiehlt sie daher mit starkem Empfehlungsgrad, deren Einsatz möglichst zu vermeiden beziehungsweise für die Indikation eine besonders sorgfältige Nutzen-Schaden-Abwägung vorzunehmen. Oft existieren alternative Wirkstoffe, die keinen Einfluss auf die Herzinsuffizienz haben (z. B. Antidiabetika, Urologika). Wenn sich aufgrund einer prioritären Komorbidität (z. B. schweres Asthma, COPD) der Einsatz eines der in Tabelle 18 genannten Wirkstoffes nicht vermeiden lässt und keine gleichwertige Alternative existiert, ist eine sorgfältige Beratung und gemeinsame Entscheidungsfindung besonders wichtig im Hinblick auf die Adhärenz sowie auf das Selbstmonitoring unerwünschter Wirkungen. Ggf. kommt eine individuelle Dosierung der Komedikation infrage.

Eine besondere Bedeutung kommt dabei nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAP/NSAR/NSAID wie z. B. Diclofenac, Ibuprofen, selektive COX-2-Hemmer) zu, da Patient*innen sie oft als Selbstmedikation verwenden. Die Leitliniengruppe empfiehlt, den Gebrauch gezielt zu erfragen, möglichst zu vermeiden bzw. – wenn indiziert – andere Analgetika (z. B. Paracetamol und/oder schwach wirkende Opioide wie Tilidin/Naloxon oder Tramadol) zu verwenden.

 Evidenzgrundlage Empfehlungsgrundlage

Die Empfehlung beruht auf evidenzbasierten Zusammenstellungen internationaler Fachgesellschaften, pharmakodynamischen Kenntnissen und Sicherheitserwägungen.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Zu Arzneimitteln, die nach gegenwärtigem Kenntnisstand eine Herzinsuffizienz verursachen oder verschlechtern können, existieren evidenzbasierte Zusammenstellungen internationaler Fachgesellschaften 25922, 33421, 33420. Tabelle 18 beruht auf diesen Verzeichnissen, beschränkt sich aber auf Medikamente, die aus Sicht der Leitliniengruppe besonders relevant für den deutschen Versorgungsalltag sind. Aussagekräftige Daten liegen vorwiegend für Patient*innen mit HFrEF vor; für HFpEF ist die Evidenz mangelhaft.

 Patientenblatt Patientenmaterialien

6.4.3 Medikationsplan

Empfehlung

6-23 | k | modifiziert 2023

Für Patient*innenen mit Herzinsuffizienz soll ein Medikationsplan erstellt und, sofern patientenseitig gewünscht, als E-Medikationsplan gespeichert werden. Der Ausdruck für Patient*innen soll in der bundeseinheitlichen Form nach § 31a SGB V erfolgen.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Die Umsetzung komplexer Therapien ist für viele Patient*innen eine große Herausforderung. Daher bietet sich insbesondere für Patient*innen mit Herzinsuffizienz die Ausstellung eines Medikationsplans an, um Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) und Medikamenten-Adhärenz zu unterstützen. Die Leitliniengrupe empfiehlt die Verwendung des bundeseinheitlichen Medikationsplans (www.kbv.de/html/medikationsplan.php) in Form nach § 31a SGB V (www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__31a.html). Dieser ist stets aktuell und vollständig (Verordnungen und Selbstmedikation) zu halten und auf Arzneimittelrisiken zu prüfen. Wesentlich ist zudem, dass sich die verschiedenen behandelnden Ärzt*innen und Apotheker*innen abstimmen (siehe Kapitel 12.1.3 Einbindung von Apothekern in die Versorgung) und dass auch die Patient*innen die Inhalte des Medikationsplans verstehen. Die Empfehlung zur Ausstellung eines E-Medikationsplans berücksichtigt die zunehmende digitale Affinität auch älterer Patient*innen.

Die Leitliniengruppe formuliert als Versorgungsproblem, dass die Empfehlung bisher nicht flächendeckend umgesetzt wurde, insbesondere nicht im spezialfachärztlichen Bereich sowie beim Übergang vom stationären in das ambulante Setting. Dieses Versorgungsproblem begründet zusammen mit dem Rechtsanspruch und Sicherheitsaspekten den starken Empfehlungsgrad.

 Evidenzgrundlage Empfehlungsgrundlage

Die konsensbasierte Empfehlung beruht auf selektiv eingebrachter Evidenz zu Sicherheitsindikatoren und auf klinischen Erwägungen zur Arzneimitteltherapiesicherheit sowie Adhärenz und berücksichtigt die Rechtslage.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Auf Basis eines systematischen Reviews internationaler Indikatoren zur Arzneimitteltherapiesicherheit wurden durch ein Panel die für Deutschland geeigneten und übertragbaren Indikatoren strukturiert bewertet. Dabei wurde auch eine vollständige Liste der aktuellen Medikation als relevanter Sicherheitsindikator für Patient*innen mit Polymedikation identifiziert 26443.

 Patientenblatt Patientenmaterialien

6.4.4 Medikamentenbezogene Verlaufskontrollen

Empfehlung

6-24 | k | neu 2023

Bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz soll unter medikamentöser Therapie bei den Verlaufskontrollen besonders auf die in Tabelle 19 aufgeführten Parameter geachtet werden.

Starke Empfehlung

Tabelle 19:  Mögliche Veränderungen klinischer und Laborparameter unter medikamentöser Therapie der chronischen Herzinsuffizienz

 

körperliche Untersuchungen1

Laboruntersuchungen

Intervalle

angepasst an die aktuelle individuelle Stabilität, mindestens so häufig wie die Laborkontrollen

6-monatlich3

Parameter

Körpergewicht2

Herzfrequenz und -rhythmus

Blutdruck

Elektrolyte4

Nierenwerte5

Wirkstoff/Wirkstoffklasse

 

Diuretika

+++

 

++

+++

+++

ACE-Hemmer

 

 

+++

+++

+++

ARB

 

 

+++

+++

+++

Sacubitril/Valsartan

 

 

+++

+++

+++

Betablocker

 

+++

+++

 

 

MRA

++

 

++

+++6

+++6

SGLT2-Inhibitoren

 

 

+

 

++

Vericiguat

 

 

+

 

 

Ivabradin

 

+++

 

 

++

Digitalisglykoside7

 

+++

 

+++

+++8

+++ hohe Bedeutung, ++ mittlere Bedeutung + geringe Bedeutung

1 auch durch Pflegende nach ärztlicher Anweisung oder tägliche/regelmäßige Kontrolle im Rahmen des Selbstmanagements (vgl. Kapitel Selbstmanagement) oder nicht-invasives Telemonitoring (vgl. Kapitel 12.3.3 Telemonitoring)

2 Verlaufswerte

3 kürzere Intervalle bei Patient*innen mit vorbekannter renaler Dysfunktion oder Elektrolytstörungen oder Begleittherapie mit potenziell
nephrotoxischen Substanzen.

4 Elektrolyte im Serum (insbes. Kalium und Natrium)

5 Nierenretentionswerte im Serum (insbes. Kreatinin) bzw. damit abgeschätzte GFR

6 4-monatliche Intervalle, besonders bei eingeschränkter Nierenfunktion; bei älteren Patient*innen ggf. noch kürzere Intervalle

7 zusätzlich: Spiegelbestimmung zur Kontrolle der Zielplasmakonzentration bei Verdacht auf Über- oder Unterdosierung

8 bei Digoxin und seinen Derivaten

Die empfohlenen Kontrollintervalle sind als maximal akzeptable Zeitabstände bei klinischer Stabilität zu verstehen. Sie orientieren sich am klinischen Zustand der Patient*innen (Belastbarkeit bzw. Dyspnoe, Auskultationsbefund, Ödeme) und sind daher der aktuellen individuellen Situation anzupassen. Bei eingeschränkter oder fehlender Stabilität sind kürzere Intervalle notwendig. Für Empfehlungen zum Monitoring bei Neueinstellung oder Umstellung der medikamentösen Therapie siehe Tabelle 17; zum Monitoring bei akuter Dekompensation siehe Kapitel 9 Akute Dekompensation (2019).

RationaleRationale

Verlaufskontrollen der Herzinsuffizienz-Medikation erfolgen im Versorgungsalltag nach Einschätzung der Leitliniengruppe häufig nicht im erforderlichen Umfang. Insbesondere die Kontrolle der Serumelektrolyte und die Beurteilung der Nierenfunktion vor und regelmäßig während der Therapie sind jedoch ein unerlässlicher Bestandteil der medikamentösen Therapie, da sie zu lebensgefährlichen Hyperkaliämien und damit verbundenen Herzrhythmusstörungen führen können. Die in Tabelle 19 empfohlenen Kontrollintervalle sind konsensbasiert und nicht als starre Intervalle, sondern als maximal akzeptable Zeitabstände bei klinischer Stabilität zu verstehen, die in Abhängigkeit vom klinischen Zustand der Patient*innen (Belastbarkeit bzw. Dyspnoe, Auskultationsbefund, Ödeme) angepasst werden. Insbesondere bei eingeschränkter oder fehlender Stabilität sind kürzere Kontrollintervalle notwendig. Sicherheitserwägungen, die klinische Relevanz möglicher Schäden sowie das wahrgenommene Versorgungsproblem begründen den starken Empfehlungsgrad.

Weitere Empfehlungen zum Monitoring:

 Evidenzgrundlage Empfehlungsgrundlage

Die konsensbasierte Empfehlung beruht auf indirekter Evidenz zu häufigen Nebenwirkungen aus klinischen Studien, auf pharmakodynamischen Kenntnissen und Sicherheitserwägungen.

6.4.5 Dauerbehandlung, Indikationsprüfung und Absetzen

Empfehlung

6-25 | e | neu 2023

Bei unter Behandlung verbesserter LVEF und/oder verbesserter Symptomatik sollen die prognoseverbessernden Medikamente weder reduziert noch abgesetzt werden, sofern keine Unverträglichkeit oder Kontraindikation besteht.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Erfahrungsgemäß kann die Verbesserung der Symptomatik dazu führen, dass bei Patient*innen die Bereitschaft abnimmt, prognoseverbessernde Medikamente weiterhin kontinuierlich einzunehmen. Änderungen am Dosierungsschema wie auch das Absetzen können aber mit einer schlechteren Prognose assoziiert sein. In den Studien zur Wirksamkeit der Medikamente wurde die Therapie auch bei Verbesserung der Symptomatik oder der LVEF weitergeführt. Aus indirekter Evidenz existieren zudem Hinweise auf kurzfristige negative Effekte bei Absetzen der Medikation. Deshalb ist es nach Einschätzung der Leitliniengruppe wichtig, in solchen Situationen mit den Patient*innen über die unterschiedlichen Behandlungsziele (Prognose- vs. Symptomverbesserung) und die dafür erforderlichen Therapiestrategien (kontinuierliche Einnahme auch bei Symptomfreiheit) zu sprechen. So lässt sich eine nicht indizierte Änderung der Therapiestrategie möglicherweise vermeiden. Die mit hoher bzw. moderater Aussagesicherheit nachgewiesenen Vorteile der Medikamente sowie das Fürsorgeprinzip begründen den hohen Empfehlungsgrad.

Die Empfehlung gilt nicht für Diuretika in symptomatischer Indikation (siehe Kapitel 6.1.2.1 Diuretika) sowie für den sehr seltenen Fall, dass eine Herzinsuffizienz vollständig ausheilt.

Für die Definition einer Herzinsuffizienz mit verbesserter Ejektionsfraktion (HFimpEF) siehe Kapitel 1 Definition und Klassifikation (2019).

 Evidenzgrundlage Empfehlungsgrundlage

Die Empfehlung beruht auf der Evidenz zu den prognoseverbessernden Substanzen (siehe u. a. 6.1.1 Prognoseverbessernde Medikation), ergänzt um selektiv eingebrachte Evidenz aus einer Absetzstudie.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

In den Wirksamkeitsstudien zu den verschiedenen bei Herzinsuffizienz eingesetzten Substanzgruppen wurde die Therapie auch bei Verbesserung der Symptomatik oder der LVEF weitergeführt (Evidenz siehe u. a. Kapitel 6.1.1 Prognoseverbessernde Medikation).

In der selektiv eingebrachten TRED-Studie wurden 51 Patient*innen mit dilatativer Kardiomyopathie, die unter Behandlung asymptomatisch waren, deren LVEF sich von < 40% auf ≥ 50% und NT-pro-BNP auf < 250 ng/L verbessert hatte sowie deren linksventrikuläres enddiastolisches Volumen (LVEDV) sich normalisiert hatte, zur Beibehaltung der Herzinsuffizienz-Medikation oder zum schrittweisen Absetzen randomisiert. Nach 6 Monaten war es bei 11 Patient*innen (44%) in der Absetzgruppe zu einem Rückfall gekommen, während dies auf niemanden in der Kontrollgruppe zutraf. Die Rückfälle, die sich entweder durch Auftreten von Symptomen oder durch verschlechterte Surrogatparameter ausdrückten, waren innerhalb der kurzen Nachbeobachtungszeit nicht mit schwerwiegenden klinischen Endpunkten verbunden: Es gab weder Todesfälle, Herzinsuffizenz-bedingte Hospitalisierungen oder ernste kardiale Ereignisse 33407. Auch wenn die Studie ausschließlich Patient*innen mit dilatativer Kardiomyopathie umfasste, können die Ergebnisse aus Sicht der Leitliniengruppe auf andere Patient*innen mit Herzinsuffizienz übertragen werden.

Empfehlung

6-26 | k | modifiziert 2023

Bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz soll die Indikation aller Medikamente regelmäßig überprüft werden. Besteht keine Indikation mehr, soll das Medikament abgesetzt werden.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Im Versorgungsalltag werden nach Erfahrung der Leitliniengruppe zu häufig Medikamente weiter verordnet, obwohl die Indikation nicht (mehr) besteht. Dies betrifft insbesondere Begleitmedikation bei Komorbidität, die die Prognose nicht oder nur sehr langfristig verbessert (z. B. Statine, Anticholinergika, ASS, Protonenpumpenhemmer, Allopurinol, Psychopharmaka, Selbstmedikation, Abführmittel) sowie Selbstmedikation. Vor dem Hintergrund der bei Herzinsuffizienz ohnehin häufig bestehenden Polypharmazie und den sich daraus ergebenden potenziellen Problemen mit Interaktionen und Adhärenz ist es daher aus Sicht der Leitliniengruppe umso wichtiger, Medikamente abzusetzen ("deprescribing"), deren Nutzen für die jeweilige Situation nicht belegt ist bzw. für die keine Zulassung mehr besteht (z. B. bei neu aufgetretenem Vorhofflimmern oder Nierenerkrankungen) oder für die aufgrund von veränderten Therapiezielen keine Indikation mehr besteht. Basierend auf Sicherheitsüberlegungen und dem Nicht-Schadensprinzip spricht die Leitliniengruppe konsensbasiert eine starke Empfehlung aus.

Für adäquate und inadäquate Medikamente speziell bei älteren bzw. multimorbiden Patient*innen siehe auch FORTA- und Priscus-Liste (Kapitel 4.3 Multimorbidität).

Zur Anpassung der Medikation im Rahmen der Palliativversorgung siehe Kapitel 11.5 Therapiebegrenzung in der Sterbephase.

 Evidenzgrundlage Empfehlungsgrundlage

Die konsensbasierte Empfehlung beruht auf ethischen Überlegungen und beschreibt gute klinische Praxis.

6.5 Impfschutz bei Herzinsuffizienz

Empfehlung

6-27 | e | neu 2023

Patient*innen mit Herzinsuffizienz sollen die von der Ständigen Impfkommission für Menschen mit chronischen Erkrankungen empfohlenen Impfungen empfohlen werden. Dies betrifft insbesondere Influenza, Pneumokokken und COVID-19.

Starke Empfehlung

RationaleRationale

Patient*innen mit Herzinsuffizienz sind eine besonders vulnerable Gruppe, bei denen durch Begleiterkrankungen verschiedenster Art Dekompensationen ausgelöst werden können. Obwohl die Aussagesicherheit für die Wirksamkeit der einzelnen Impfungen für Patient*innen mit Herzinsuffizienz niedrig ist, überwiegt wegen des erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsrisikos aus Sicht der Leitliniengruppe der Nutzen einer Impfung gegen vermeidbare Erkrankungen das Schadensrisiko. Die Nutzenschadenabwägung sowie die besondere Anfälligkeit der Betroffenen für herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierungen infolge vermeidbarer Begleiterkrankungen begründen den starken Empfehlungsgrad. Aufgrund ihrer besonderen Relevanz für die Prognose hat sich die Leitliniengruppe entschieden, die Impfungen gegen Influenza, Pneumokokken und COVID-19 ausdrücklich in der Empfehlung zu benennen.

Die Ständige Impfkommission empfiehlt Personen ≥ 60 Jahre (Standardimpfung) sowie altersunabhängig allen Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge einer Grunderkrankung (Indikationsimpfung) eine jährliche Grippeschutzimpfung im Herbst, eine Immunisierung gegen Pneumokokken, eine Grundimmunisierung und Auffrischungsimpfungen gegen COVID-19 sowie eine Grundimmunisierung gegen Herpes zoster (Stand 2023 33454, 33453). Von den sonstigen allgemein empfohlenen Auffrischungs- bzw. Nachholimpfungen ist aufgrund der stark belastenden Symptomatik nach Ansicht der Leitliniengruppe außerdem die Impfung gegen Keuchhusten für Patient*innen mit Herzinsuffizienz wichtig.

 Evidenzgrundlage Empfehlungsgrundlage

Die Empfehlung beruht auf den evidenzbasierten Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission, ergänzt um eine orientierende Recherche speziell für Patient*innen mit Herzinsuffizienz für die Vorauflage der NVL sowie um eine orientierende Recherche zu epidemiologischen Daten aus Deutschland zu COVID-19.

 Evidenzbeschreibung Evidenzbeschreibung

Respiratorische Infektionen und Pneumonien sind ein häufiger Auslöser für Hospitalisierungen von Patient*innen mit Herzinsuffizienz, wie Registerdaten nahelegen. In einer israelischen retrospektiven Analyse (n = 9 335) war mehr als ein Drittel der Patient*innen mit Herzinsuffizienz aufgrund von Infektionen stationär aufgenommen worden, davon entfielen mehr als die Hälfte auf respiratorische Infekte 26544. Atemwegsinfektionen gehen wiederum häufig mit Dekompensationen einher 11433, 11438 und sind zudem mit einem signifikant erhöhten Risiko für die Krankenhausmortalität assoziiert 26545. Ob speziell bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz durch Impfprophylaxe die Zahl der Infektionen und in der Folge Hospitalisierungen, Dekompensationen und Mortalität verringert werden können, kann aufgrund der derzeitigen Evidenzlage nicht eindeutig beantwortet werden.

Randomisierte, kontrollierte Studien zum Vergleich einer Influenza-Impfung mit Placebo speziell bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz wurden nicht identifiziert. Retrospektive Subanalysen von RCTs 26546 und Kohortenstudien 26547, 26548, 28989 weisen für diese Gruppe auf positive Effekte einer Grippeschutzimpfung bezüglich Mortalität und Hospitalisierungsrate hin.

Pneumokokken gelten als die ursächlichen Erreger bei der Mehrzahl der ambulant erworbenen Pneumonien 26549. Mit den zur Verfügung stehenden Pneumokokken-Impfstoffen werden jedoch nicht alle Pneumokokken-Serotypen abgedeckt. In Studien wurde durch die Impfung zwar die Zahl invasiver Pneumokokken-Erkrankungen reduziert, nicht jedoch die Anzahl aller ambulant erworbenen Pneumonien (alle Erreger) und die Mortalität 25937, 26550. Herzinsuffizienz ist ein unabhängiger Risikofaktor für die Mortalität bei ambulant erworbener Pneumonie 26551, 26552, 26553. Zur Effektivität einer Pneumokokken-Impfung bezüglich ambulant erworbener Pneumonien und Mortalität speziell bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz erlaubt die Datenlage derzeit keine Aussagen 25937, 26554.

Zu den Grunderkrankungen mit einem erhöhten Risiko für schwere COVID-19-Verläufe gehört auch Herzinsuffizienz: In einer Erhebung auf Basis von Kostenerstattungsdaten für eine stationäre Behandlung aufgrund COVID-19 in Deutschland in den Jahren 2020 und 2021 (n = 561 379) war eine komorbide Herzinsuffizienz (n = 136 505) mit dem höchsten Sterberisiko aller untersuchten Grunderkrankungen verbunden (33%; OR 3,81 (3,78; 3,89); Sterberisiko in der Gesamtpopulation 16,7%) 33451. In einer Stichprobe aus deutschen Krankenhäusern, die alle hospitalisierten Patient*innen mit bestätigter COVID-19-Diagnose in Deutschland des Jahres 2020 umfasste (n = 176 137), war Herzinsuffizienz (n = 27 119) außerdem ein unabhängiger Prädiktor für eine Einweisung in die Intensivstation (13,8% vs. 24,4%; OR 1,72 (95% KI 1,66; 1,78)) 33452.

 Patientenblatt Patientenmaterialien
NVL Chronische Herzinsuffizienz, Version 4.0, 2023

Mehr zur NVL Chronische Herzinsuffizienz

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