NVL Chronische Herzinsuffizienz, Version 4

12 Versorgungskoordination (2019)

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

12-1

Diagnostische Befunde, Therapieempfehlungen, weitere Informationen und die Länge der Kontrollintervalle sollen zwischen dem betreuenden Hausarzt und weiteren beteiligten Fachärzten präzise kommuniziert und gemeinschaftlich abgestimmt werden. Diagnostische Bewertungen und Therapieempfehlungen sollen in Textform und zügig mitgeteilt werden.

Starke Empfehlung

Die Empfehlung stellt einen Expertenkonsens dar.

Die multidisziplinäre und sektorenübergreifende Versorgung von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz erfordert eine eindeutige und präzise Kommunikation und die gemeinschaftliche Abstimmung zwischen behandelnden (Klinik-)Spezialfachärzten und Ärzten der Primärversorgung (z. B. Fachärzten für Allgemeinmedizin oder Innere Medizin, im Folgenden: "Hausarzt"). So können Einschätzungen des Hausarztes (beispielsweise relevante Komorbiditäten, Therapieerfahrungen) vom Spezialfacharzt berücksichtigt und Änderungen in der Therapie und Verlaufskontrolle in der hausärztlichen Versorgung mitgetragen und implementiert werden. Entscheidend ist dabei die aktive Rückmeldung des Hausarztes – vor allem, wenn Therapieempfehlungen z. B. des Kardiologen oder der Klinik aus unterschiedlichen Gründen (z. B. Multimedikation, mangelnde Adhärenz u. Ä.) nicht umsetzbar sind.

12.1 Koordination der ambulanten Versorgung

12.1.1 Primärärztliche und fachspezifische Versorgung

Die ambulante Langzeit-Betreuung von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz sowie die Koordination diagnostischer, therapeutischer und rehabilitativer Maßnahmen erfolgen durch den Hausarzt, in Kooperation mit Kardiologen und anderen Fachdisziplinen. Im Behandlungsverlauf kann zeitweise (z. B. nach Dekompensation) auch die kardiologische Betreuung im Vordergrund stehen. Internationale Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Kardiologen im Vergleich zu Ärzten in der Primärversorgung zwar besser über Herzinsuffizienz informiert sind, stärker Therapieempfehlungen aus Leitlinien berücksichtigen und bessere Therapieergebnisse erzielen, aber auch kostenintensiver arbeiten 13205, 13202, 13200, 13201, 10993, 13204, 13203. Diese Ergebnisse erlauben jedoch keine Aussage zur kombinierten primärärztlichen und fachspezifischen Versorgung.

Hausärzte können im Versorgungsprozess eine Art "Lotsenfunktion" übernehmen: Sie sind für die Patienten erste Anlaufstelle und koordinieren die Überweisung der häufig multimorbiden Patienten zu anderen Fachdisziplinen. Eine durch langfristige Betreuung aufgebaute tragfähige Arzt-Patienten-Beziehung kann dazu beitragen, individuelle psychosoziale Umstände bei der Behandlungsplanung zu berücksichtigen und die gemeinsame Entscheidungsfindung zu erleichtern.

Eine präzise und umfassende Angabe von Überweisungsindikationen ist für Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz nicht möglich. Stattdessen sollen die folgenden Empfehlungen eine Orientierung geben, in welchen Situationen Überweisungen zu einem Kardiologen oder anderen Fachdisziplinen angebracht sind.

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

12-2

Bei Verdacht auf Herzinsuffizienz soll im Rahmen der Erstdiagnostik eine Überweisung zum Kardiologen erfolgen, um die verursachende Erkrankung zu diagnostizieren, die Art und das Ausmaß der Herzinsuffizienz zu bestimmen und ggf. Ansätze für eine kausale Therapie zu identifizieren.

Starke Empfehlung

12-3

Allen Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz sollen regelmäßige fachkardiologische Verlaufsuntersuchungen angeboten werden. Dies gilt auch für wenig symptomatische/asymptomatische Patienten mit kardialer Dysfunktion zur Frage nach Verbesserung oder Verschlechterung unter Therapie. Die Länge der Intervalle soll der Schwere der Erkrankung angepasst werden.

Starke Empfehlung

Die Empfehlung stellt einen Expertenkonsens dar und beruht auf der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe.

Intervalle für die fachkardiologischen Verlaufsuntersuchungen werden für jeden Patienten individuell vom behandelnden Kardiologen vorgeschlagen. Asymptomatische Patienten sind in die Empfehlung ausdrücklich mit eingeschlossen, da es nach Ansicht der Autoren wichtig ist, auch bei Patienten, die unter Behandlung beschwerdefrei sind, eine Therapieoptimierung zu prüfen. Zudem werden nach Einschätzung der Autoren in der Versorgungsrealität bestimmte Patientengruppen (z. B. mit Diabetes mellitus) zu selten fachkardiologisch untersucht.

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

12-4

Patienten, die nach kardialer Dekompensation aus einer stationären Behandlung entlassen wurden, sollen engmaschig kardiologisch kontrolliert werden.

Starke Empfehlung

Die Empfehlung stellt einen Expertenkonsens dar und beruht auf der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe.

Auf die Angabe konkreter Kontrollintervalle nach stationärer Behandlung aufgrund akuter Dekompensation verzichten die Autoren bewusst, da es dafür kein validiertes Schema gibt und Intervalle individuell in Abhängigkeit vom klinischen Zustand, der Auftitration bestimmter Medikamente und anderer Parameter festgelegt werden.

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

12-5

Insbesondere bei folgenden Konstellationen sollen Hausarzt und Kardiologe Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz auch außerhalb der Kontrolluntersuchungen in Kooperation behandeln:

  • bei Vorliegen einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) bei allen Problemen, die sich während oder nach Einstellung mit Pharmaka ergeben, dazu zählen insbesondere Hypotension und Bradykardie;
  • wenn Unsicherheiten hinsichtlich der Umsetzung der Therapieempfehlungen der vorliegenden Leitlinie bestehen (z. B. Gabe von Betarezeptorenblockern);
  • bei Problemen mit Vorhof- oder Kammerrhythmusstörungen, insbesondere Tachykardien;
  • bei Patienten, die gemäß der vorliegenden Leitlinie behandelt werden und bezüglich der Herzinsuffizienz, aber auch bezüglich evtl. bestehender Angina-pectoris-Symptomatik keine Symptomverbesserung erfahren, zur Prüfung weiterer Therapieoptionen;
  • bei Patienten mit therapierefraktären Symptomen der Herzinsuffizienz;
  • bei Patienten mit Indikation zu medikamentöser antiarrhythmischer Therapie oder zur Implantation eines Schrittmacher- und/oder Defibrillatorsystems;
  • bei Patienten zur Klärung weiterführender interventioneller oder operativer Therapieverfahren.

Starke Empfehlung

Die Empfehlung stellt einen Expertenkonsens dar und beruht auf der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe.

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

12-6

Bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz sollte die Behandlung in Kooperation zwischen Hausarzt/Kardiologen und weiteren Fachdisziplinen insbesondere bei den in Tabelle 28 aufgeführten Konstellationen erfolgen.

Abgeschwächte Empfehlung

Die Empfehlung stellt einen Expertenkonsens dar und beruht auf der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe.

Tabelle 28: Mögliche Konstellationen, bei denen eine Abstimmung oder Überweisung erfolgen sollte

Fachgebiet

Konstellationen für Abstimmung oder Überweisung

Nephrologie (siehe auch Kapitel 8.1 Nierenerkrankungen)

  • stark eingeschränkte/sich deutlich verschlechternder Nierenfunktion
  • neu aufgetretene Proteinurie

Pneumologie
(siehe auch Kapitel 8.5 Atemwegserkrankungen)

  • unzureichender Erfolg einer Therapie gegen Asthma/COPD trotz intensivierter Behandlung
  • Dyspnoe mit Verdacht auf eine pulmonale Ursache
  • wenn eine Systemerkrankung mit pulmonaler Beteiligung besteht oder vermutet wird (wie z. B. eosinophile Syndrome, Sarkoidose)

Diabetologie
(siehe auch Kapitel 8.4 Diabetes mellitus)

  • Schwierigkeiten bei der Stoffwechseleinstellung/Antidiabetischen Differentialtherapie
  • wenn individuell vereinbarte Therapieziele (z. B. HbA1c-Zielwert) nicht erreicht werden

Psychosomatik/Psychiatrie/
Psychotherapie
(siehe auch Kapitel 3.3.2 Psychosoziale Diagnostik und 8.7 Psychische Komorbidität)

  • Verdacht auf und bei Persistenz psychischer bzw. psychosomatischer Störungen (insbesondere Depression, Anpassungs-, Angst-, somatoforme Störung, posttraumatische Belastungsstörung)
  • Interaktionsprobleme von Antidepressiva mit der Herzinsuffizienz-Medikation
  • ätiologisch relevante Suchterkrankung
  • zunehmende kognitive Beeinträchtigung

Geriatrie
(siehe auch Kapitel 4.3 Multimorbidität und 8.10 Kardiale Kachexie, Sarkopenie, Frailty)

  • wenn zur Aufrechterhaltung von Teilhabe und Autonomie umfassende Diagnostik und Therapie im stationären Kontext notwendig werden
  • wenn aus Multimorbidität und Polypharmazie komplexe Fragestellungen resultieren

Spezialisierte
Palliativversorgung
(siehe auch Kapitel 11 Palliativmedizinische Versorgung (2019))

  • bei erhöhter Betreuungsintensität, z. B. bei
    • krisenträchtigen Krankheitsverläufen (z. B. häufige Dekompensationen und Hospitalisierungen)
    • unkontrollierten physischen Symptomen (z. B. Atemnot, progrediente Schwäche)
    • einer hohen Komplexität des (pflegerischen) Versorgungsbedarfs
    • einem hohen Maß an psychosozialen Belastungen (zum Beispiel im häuslichen Umfeld)

weitere

  • Abstimmung von Dauermedikation (z. B. Analgetika, Antirheumatica, Immunsupressiva: Abstimmung mit/Überweisung an Rheumatologie, Orthopädie …)
  • bei klinischen Hinweisen auf therapiebedürftige schlafbezogene Atmungsstörungen (Abstimmung mit/Überweisung an Pneumologie, HNO, Schlafmedizin)

In der Tabelle sind Konstellationen aufgeführt, die aufgrund psychosozialer Charakteristika und häufiger Begleiterkrankungen besonders typisch und/oder prognostisch relevant für die Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz sind. Detaillierte Informationen zum interdisziplinären Versorgungsmanagement von Patienten mit den genannten Komorbiditäten finden sich in den NVL zu Asthma 24673, COPD (zurzeit in Überarbeitung), Typ-2-Diabetes (zurzeit in Überarbeitung) sowie unipolarer Depression 26437.

Bei unklarer Situation in Bezug auf Gebrechlichkeit (Frailty) kann geriatrische Expertise hilfreich sein, um deren Grad zu bestimmen, damit das Nutzen-Risiko-Verhältnis diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen individuell eingeschätzt und die Behandlung entsprechend angepasst (deeskaliert) werden kann (siehe Kapitel 8.10 Kardiale Kachexie, Sarkopenie, Frailty).

Die allgemeine ambulante Palliativversorgung (AAPV) im häuslichen Umfeld der Patienten erfolgt größtenteils durch Hausärzte, weitere Fachärzte und Pflegedienste. Wenn das Fortschreiten der Erkrankung jedoch eine Betreuungsintensität erfordert, die von der AAPV nicht mehr zu leisten ist, besteht die Möglichkeit, mit einem lokalen Team der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) Kontakt aufzunehmen und eine SAPV-Verordnung gemäß § 37b SGB V auszustellen. Die SAPV ergänzt dabei die Versorgung durch Hausärzte, Spezialfachärzte und Pflegedienste, ersetzt sie aber nicht (siehe Kapitel 11 Palliativmedizinische Versorgung (2019)).

12.1.2 Pflegerische Versorgung

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

12-7

Pflegekräfte und medizinische Fachangestellte, die an der Betreuung von Herzinsuffizienz-Patienten beteiligt sind, sollten aktiv auch in die Versorgungsplanung eingebunden werden.

Abgeschwächte Empfehlung

Die Empfehlung stellt einen Expertenkonsens dar und beruht auf der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe und selektiv von den Experten eingebrachter Literatur.

Die Aufgaben der Pflege in der Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz umfassen – neben der Durchführung ärztlicher Anordnungen und Assistenz in diagnostischen und therapeutischen Verfahren – das Monitoring klinischer Parameter, Unterstützung bei der Medikamenteneinnahme (Stellen und Verabreichen von Medikamenten, Beobachten und Informieren bezüglich Wirkungen, Neben- und Wechselwirkungen, Identifikation potenzieller Probleme bei der Einnahme und gemeinsame Suche nach Lösungen), das Erkennen von Dekompensationsanzeichen und den sich daraus ableitenden Interventionen (Information an behandelnden Arzt) sowie Patientenedukation (Schulung, Beratung, Information; vgl. Kapitel 5.1 Kommunikation, Motivation und Steigerung der Adhärenz und 5.2 Strukturierte Schulungen), die laut Krankenpflegegesetz einen expliziten Aufgabenbereich examinierter Pflegekräfte in Deutschland darstellt (vgl. KrPflG 2003, §3). Die Schwerpunkte dieser Aufgaben variieren je nach Versorgungsauftrag und individuellem Patientenbedarf.

Voraussetzung für die Erfüllung dieser Aufgaben ist, dass das Pflegepersonal – sowohl im stationären Umfeld, in der häuslichen Pflege wie auch in Rehabilitationseinrichtungen und Einrichtungen der Altenhilfe – als Mitglied im interdisziplinären Team über individuelle Therapieempfehlungen für den jeweiligen Patienten informiert und in die Behandlungsplanung einbezogen wird.

Pflegende in Einrichtungen der Altenhilfe

Die Prävalenz von Herzinsuffizienz von Menschen, die in der stationären Altenhilfe leben, liegt bei 15-45% 25660, 25662, 25657, hinzu kommt vermutlich eine nicht unbeträchtliche Zahl nicht diagnostizierter Fälle 25660, 25662. Bei älteren Patienten, die nach einer stationären Behandlung in eine Einrichtung der Altenhilfe entlassen werden, sind Morbiditäts- und Mortalitätsraten signifikant erhöht 25656 und die Wiedereinweisungsrate innerhalb von 30 Tagen liegt zwischen 27% und 43% 25658, 25659, 25656. Entsprechend wichtig ist die adäquate Betreuung dieser Patienten. Um die oben genannten Aufgaben in der Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz erfüllen zu können, benötigen Pflegende in Einrichtungen der Altenhilfe nach Ansicht der Autoren eine entsprechende Schulung 25663.

Spezialisierte Pflegekräfte im Bereich der Herzinsuffizienz

Spezialisierte Pflegekräfte im Bereich der Herzinsuffizienz (international: Heart Failure Nurse) sind Gesundheits- und Krankenpflegende oder Altenpflegende, die sich für die Begleitung von Menschen mit Herzinsuffizienz weiterqualifiziert haben. Während in angloamerikanischen und skandinavischen Ländern spezialisierte Pflegekräfte (zum Teil mit Masterabschluss und Promotion) seit Jahren fester Bestandteil der Pflege und Langzeitversorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz sind, ist diese Spezialisierung in Deutschland noch recht jung (Beginn 2008). Neben den klinisch orientierten Masterstudiengängen zur Advanced Practise Nurse bildet das europäische Curriculum zur Qualifizierung von Heart Failure Nurses 25664, das von der Heart Failure Association und dem Council for Cardiovascular Nurses and Allied Professionals der European Society of Cardiology entwickelt und 2007 erstmal veröffentlicht wurde, die Grundlage nicht-universitärer Weiterbildungen.

In Deutschland sind spezialisierte Pflegekräfte im Bereich der Herzinsuffizienz aktuell in verschiedenen Versorgungsbereichen, Strukturen und Aufgabenbereichen tätig: von der Ad-hoc-Beratung am Patientenbett bis hin zur transsektoralen Betreuung. Eine gesetzliche Grundlage für die Integration der Heart Failure Nurse in den Versorgungsalltag – vergleichbar etwa der Breast Care Nurse in Brustzentren – existiert derzeit jedoch noch nicht.

Die Einbindung spezialisierter Pflegekräfte in die Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz kann nicht nur die Adhärenz und die Zufriedenheit von Patienten verbessern, sondern auch positive Effekte auf Mortalität und Wiedereinweisungen haben (siehe dazu Kapitel 12.3.1 Spezialisierte nicht-ärztliche Versorgung).

Pflegende anderer Berufsspezifikationen

Neben examinierten Pflegekräften können auch andere Berufe an der Pflege von Patienten mit Herzinsuffizienz beteiligt sein: Speziell qualifizierte medizinische Fachangestellte ("Versorgungsassistentinnen", "arztentlastende Fachkräfte", "nichtärztliche Praxisassistentinnen") gewinnen zunehmend an Bedeutung. Dabei zielen regionale Modelle wie AGnES, VerAH, EVA u. a. einerseits auf die Entlastung der Primärärzte, andererseits auf die verbesserte Versorgung von Patienten – insbesondere in strukturschwachen Regionen. Daher beziehen die Autoren bewusst diese medizinischen Fachangestellten in der Empfehlung zur Einbindung von Pflegenden mit ein.

12.1.3 Einbindung von Apothekern in die Versorgung

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

12-8

Apotheker sollten in die multidisziplinäre Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz eingebunden werden.

Abgeschwächte Empfehlung

Die Empfehlung stellt einen Expertenkonsens dar und beruht auf der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe sowie selektiv von den Autoren eingebrachter Literatur.

Da bei fast allen Herzinsuffizienzpatienten Komorbiditäten vorliegen und sie entsprechend von mehreren Fachärzten behandelt werden, erhöht sich die Komplexität der Arzneimitteltherapie und mit ihr die Wahrscheinlichkeit für Interaktionen, Kontraindikationen, Doppelmedikationen und weitere arzneimittelbezogene Probleme. Zudem stimmt die tatsächliche Einnahme der Arzneimittel durch die Patienten häufig nicht mit den Empfehlungen der behandelnden Ärzte überein, wie abgleichende Untersuchungen von Praxis- mit Apotheken-Daten und Patientenbefragungen zeigen 26083, 26084.

Apotheker können im Rahmen der pharmazeutischen Beratung und Betreuung die Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz in folgenden Bereichen unterstützen:

  • Prävention, v. a. durch Förderung der Therapieadhärenz bei Vorliegen von Risikofaktoren für die Entstehung einer Herzinsuffizienz 26085, 26086, 26087;
  • Früherkennung, v. a. durch Verweis an einen Arzt bei Symptomen oder Selbstmedikationswünschen, die auf eine Herzinsuffizienz hinweisen 26083, 26088;
  • Medikationsanalyse und Arzneimitteltherapiesicherheit, v. a. durch Berücksichtigung von Komorbiditäten und (anderen) Facharztverordnungen mit Prüfung zu vermeidender Medikamente, Interaktionen, (Pseudo-) Doppelmedikationen und Selbstmedikation 26089, 26090, 26091;
  • Begleiten der Therapie, v. a. durch Beratung und Förderung der Adhärenz bezüglich der Herzinsuffizienz-Medikation 26092, 26093.

Die vorliegende Evidenz zum Effekt einer Einbindung von Apothekern in die Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz ist nicht eindeutig 26027, 26028. Zusammenfassende Aussagen und Metaanalysen werden durch die starke Heterogenität der Studien erschwert, insbesondere bezüglich Art und Umfang der untersuchten Interventionen: Diese reichen von rein kommunikativ-beratenden Ansätzen über edukativ-verhaltensmodifizierende Maßnahmen bis hin zu regelmäßigem Telefonkontakt oder Hausbesuchen (siehe auch Kapitel 12.3 Strukturierte Versorgungskonzepte). In einer randomisiert-kontrollierten Studie aus dem deutschen Kontext wurden bei Patienten, die wegen Herzinsuffizienz stationär vorbehandelt waren (n = 258), in der örtlichen Apotheke nach einer Medikationsanalyse ein Medikationsplan erstellt, ein- oder zweiwöchentlich die Medikamente in Dosierhilfen ausgehändigt, u. a. Blutdruck und Pulsfrequenz kontrolliert und ggf. mit dem behandelten Arzt kommuniziert. Im Vergleich zur üblichen Apothekenversorgung erhöhte sich durch die Intervention nach einem Jahr die Adhärenz gegenüber der Herzinsuffizienz-Medikation um absolut 5,7%. 29386

Auch wenn die Evidenzlage keine Aussagen zu konkreten Maßnahmen zulässt, befürworten die Autoren eine interdisziplinäre Einbindung von Apothekern in die Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz. Unter Berücksichtigung der jeweiligen regionalen Gegebenheiten und der Präferenzen des Patienten ist dabei die Bildung lokaler Netzwerke aus ärztlicher Behandlung und pharmazeutischer Beratung wünschenswert, mit dem Ziel, die medikamentöse Therapie gemeinsam abzustimmen und auf Arzneimittelrisiken zu prüfen sowie einen Medikationsplan (siehe auch Empfehlung 6-1) auszustellen und regelmäßig zu aktualisieren. Dabei sollten Apotheker aktiv den Kontakt zu den betreuenden Ärzten suchen, wenn ihnen mögliche Probleme bezüglich der Arzneimitteltherapiesicherheit auffallen. Zudem kommt den Apothekern eine zentrale Rolle bei OTC-Präparaten zu, da sie vermutlich am ehesten auf eine unkontrollierte Selbstmedikation mit prognostisch ungünstigen Arznei- oder Nahrungsergänzungsmitteln aufmerksam werden und diesbezüglich intervenieren können (siehe Empfehlung 6-2, Kapitel 6.4 Komplementäre und alternative Therapien sowie Kapitel 8.11 Schmerz).

12.2 Koordination der sektorenübergreifenden Versorgung

Aufgrund der häufigen Episoden mit akuter Dekompensation ist der wiederholte Wechsel zwischen dem ambulanten und stationären Versorgungssektor typisch für die chronische Herzinsuffizienz; die Einzeldiagnose Herzinsuffizienz (ICD I50) stellt in Deutschland den häufigsten Einweisungsgrund vollstationär behandelter Patienten dar 26364 (siehe Kapitel 9 Akute Dekompensation (2019)).

Darüber hinaus gibt es weitere Konstellationen im Zusammenhang mit chronischer Herzinsuffizienz, die eine stationäre Einweisung erforderlich machen oder bei denen eine stationäre Einweisung in Erwägung gezogen werden kann. Dazu zählt neben geplanten invasiven Therapiemaßnahmen (siehe Kapitel 7 Invasive Therapie (2019)) auch eine zunehmende Symptomatik aufgrund von Grunderkrankung oder Komorbiditäten.

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

12-9

Wenn keine palliative Situation vorliegt, soll bei Patienten mit bekannter chronischer Herzinsuffizienz eine unmittelbare stationäre Einweisung z. B. bei folgenden Indikationen empfohlen werden:

  • hämodynamisch relevante Arrhythmie (inkl. neu aufgetretenem Vorhofflimmern);
  • wiederholte ICD-Schocks;
  • ausgeprägte Elektrolytverschiebungen (Hyponatriämie, Hypo- oder Hyperkaliämie);
  • neu aufgetretene oder dekompensierte Komorbidität (z. B. Pneumonie mit hohem CRB-65-Index, Lungenembolie, diabetische Ketoazidose, Schlaganfall, akute Nierenschädigung usw.);
  • Dekompensation der Grunderkrankung (z. B. akutes Koronarsyndrom, Ischämie, Klappenfehler usw.).

Starke Empfehlung

Die Empfehlung stellt einen Expertenkonsens dar und beruht auf der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe.

Bei den genannten Indikationen handelt es sich aus Sicht der Experten um potenziell lebensgefährliche Konstellationen, die eine stationäre Aufnahme erforderlich machen. In palliativen Situationen ist eine Einweisung aus Sicht der Autoren auch bei den genannten Indikationen nicht obligatorisch, da sie nicht dem Ziel einer bestmöglichen Lebensqualität in der Sterbephase dient und ggf. den Patientenpräferenzen zum Sterbeort entgegensteht (siehe Kapitel 11 Palliativmedizinische Versorgung (2019)). Daher wurden die Einweisungskriterien bewusst nicht direktiv ("soll erfolgen"), sondern als Empfehlung formuliert.

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

12-10

Wenn keine palliative Situation vorliegt, kann bei Patienten mit bekannter chronischer Herzinsuffizienz u. a. bei folgenden Konstellationen nach gründlicher Anamnese und klinischer Untersuchung eine stationäre Einweisung empfohlen werden:

  • Volumenüberlastung, auch ohne Dyspnoe (typischerweise mit anderweitig nicht erklärter Gewichtszunahme);
  • Zeichen und Symptome einer pulmonalen oder systemischen Volumenbelastung auch ohne Gewichtszunahme;
  • verschlechterte Nierenfunktion;
  • Pneumonie mit niedrigem CRB-65-Index;
  • schwierige medikamentöse Einstellung.

Offene Empfehlung

Aus der Erfahrung der Leitlinienautoren kann bei ambulant schwer beherrschbaren Situationen eine stationäre Aufnahme vorteilhaft sein. Zwar ist ein Krankenhausaufenthalt für den Patienten mit Belastungen verbunden, andererseits ist ambulant keine so engmaschige Betreuung zu gewährleisten wie stationär, insbesondere wenn es darum geht, kritische Verläufe zu verhindern. Im Einzelfall kann die Entscheidung, ob ein Patient ins Krankenhaus eingewiesen werden soll bzw. muss, jedoch schwierig sein. Sie ist jeweils individuell und im Kontext der Patientenpräferenzen, Begleitumstände und Komorbiditäten zu treffen. Je nach klinischem Verlauf – und ggf. in Absprache zwischen Hausarzt und den ambulant mitbehandelnden Spezialfachärzten – ist der zu erwartende Nutzen mit den möglichen Nachteilen einer stationären Einweisung abzuwägen.

Bei einigen der aufgeführten Konstellationen ist alternativ auch die Beantragung einer medizinischen Rehabilitation denkbar (siehe Kapitel 10 Rehabilitation (2019)).

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

12-11

Nach einer Krankenhauseinweisung soll bei Patienten mit Herzinsuffizienz bereits in der Akutklinik eine Frühmobilisation erfolgen.

Starke Empfehlung

Die Empfehlung stellt einen Expertenkonsens dar und beruht auf einer deutschen Leitlinie. 27966

Neben der Vermeidung von Thrombosen und Lungenembolien zielt die Frühmobilisation darauf, die Patienten möglichst schnell beweglich zu machen und eine durch den Krankenhausaufenthalt getriggerte Frailty mit einem damit verbundenen Verlust von Autonomie und Selbstständigkeit zu vermeiden. Durch passive und aktive Bewegungsübungen sollen die Skelett- und Atemmuskelfunktion erhalten bzw. verbessert, die hämodynamische Reagibilität gesteigert, lagerungsbedingte Hautulzerationen verringert sowie kognitive Kompetenz und psychisches Wohlbefinden gesteigert werden. Die S2e-Leitlinie "Lagerungstherapie und Frühmobilisation zur Prophylaxe oder Therapie von pulmonalen Funktionsstörungen" 27966 empfiehlt eine Frühmobilisation innerhalb von 72 Stunden für alle intensivmedizinisch behandelten Patienten, für die keine Ausschlusskriterien (z. B. extrakorporale Lungen- oder Kreislaufunterstützungssysteme) gelten. Zu Evidenz für die Effekte der Frühmobilisation, Einschränkungen, patientenbezogenen Kriterien für die Durchführbarkeit sowie Art, Dauer und Intensität der Übungen siehe dort.

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

12-12

Bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz sollte im Rahmen des interprofessionellen Entlassmanagements

  • mit dem Hausarzt kommuniziert und Termine zur Nachkontrolle innerhalb von 7-10 Tagen (bei schwerer Herzinsuffizienz innerhalb von maximal drei Tagen) vereinbart werden;
  • ein detaillierter Behandlungsvorschlag zur Auftitration der verschriebenen Medikamente in den nächsten Wochen für den weiterbetreuenden Arzt erstellt werden;
  • die Einbindung in ein strukturiertes Programm geprüft und ggf. in die Wege geleitet werden;
  • eine häusliche Versorgung des Patienten sichergestellt werden.

Abgeschwächte Empfehlung

Die Empfehlung stellt einen Expertenkonsens dar und beruht auf der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe.

Der Übergang vom stationären in den ambulanten Bereich stellt eine kritische Schnittstelle in der Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz dar. Ein mangelhaftes Überleitungsmanagement kann nach Erfahrung der Autoren in zeitnahen erneuten Hospitalisierungen resultieren, beispielsweise weil die häusliche Versorgung des Patienten nicht sichergestellt ist, weil Behandlungslücken entstehen oder weil es widersprüchliche Anweisungen zur medikamentösen Therapie gibt. Im seit 2017 gesetzlich vorgeschriebenen Entlassmanagement (§39 Abs. 1a SGB V) werden zwar allgemeine Regelungen für eine lückenlose Anschlussversorgung nach einem stationären Aufenthalt getroffen. Dennoch besteht aus Sicht der Autoren weiterhin ein Versorgungsproblem, weil die im Rahmenvertrag Entlassmanagement umschriebenen Leistungen in der Praxis noch nicht ausreichend umgesetzt werden – beispielsweise weil nicht geregelt ist, wer diese Aufgaben konkret übernehmen soll, weil die dafür notwendige Zeit in den stationären Abläufen nicht (ausreichend) eingeplant ist, und wie der zusätzliche zeitliche und personelle Aufwand vergütet wird. Denkbar ist, dass Aufgaben im Rahmen des Entlassmanagements von nicht-ärztlichem Personal übernommen werden.

Das Risiko einer erneuten stationären Aufnahme ist kurz nach der Entlassung am höchsten. 26022 Deshalb wird eine frühzeitige Kontrolle des Volumen- und Therapiestatus nach der Entlassung empfohlen, um eventuell erforderliche Anpassungen an die Therapie zu Hause durchzuführen.

Die Begründung der Empfehlung zur Einbindung in ein strukturiertes Programm wird im Kapitel 12.3 Strukturierte Versorgungskonzepte erläutert.

Zur Indikation und Beantragung von Rehabilitationsmaßnahmen siehe Kapitel 10 Rehabilitation (2019); zu palliativmedizinischen Maßnahmen siehe Kapitel 11 Palliativmedizinische Versorgung (2019).

Checklisten zum ärztlichen Schnittstellenmanagement zwischen den Versorgungssektoren speziell in Deutschland: Einweisung, Stationäre Aufnahme, Entlassungsvorbereitung. Entlassungstag

www.aezq.de/mdb/edocs/pdf/info/checklisten-schnittstellenmanagement.pdf

12.3 Strukturierte Versorgungskonzepte

Da die Mortalität von Herzinsuffizienzpatienten nach Hospitalisierungen stark zunimmt 26022, 26021, wurden für Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz bereits zahlreiche strukturierte Versorgungsmodelle entwickelt und in Studien evaluiert, mit dem Ziel, das Risiko einer (Re-)Hospitalisierung zu reduzieren, die Mortalität zu senken und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.

Strukturierte Versorgungskonzepte sind komplexe Interventionen. Zumeist enthalten sie Schulungs- und Beratungsangebote zur Stärkung des Selbstmanagements und einen verbesserten Zugang zu multidisziplinärer Betreuung. Aber auch eine intensivierte Kontrolle der Patienten beispielsweise durch Hausbesuche oder telefonische Betreuung, die Einbindung von spezialisiertem nicht-ärztlichem Personal oder telemedizinische Komponenten sind häufig Bestandteil strukturierter Programme.

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

12-13

Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz sollten in ein strukturiertes Versorgungskonzept eingebunden werden. Dieses sollte folgende Bestandteile umfassen:

  • die leitliniengerechte Diagnostik und Therapie;
  • die koordinierte multidisziplinäre Versorgung mit regelmäßigen Terminen und direktem Arzt-Patienten-Kontakt;
  • kontinuierliche Schulungen zur Verbesserung von Selbstmanagement-Fähigkeiten und Adhärenz.

Dabei sollte das Konzept so flexibel gestaltet sein, dass die Bedürfnisse des individuellen Patienten berücksichtigt werden.

Abgeschwächte Empfehlung

12-14

Patienten mit einem erhöhten Mortalitäts- oder Hospitalisierungsrisiko (z. B. Zustand nach Dekompensation, komplikationsträchtige Komorbiditäten, Progredienz bei NYHA ≥ III) sollen – neben einer verstärkten häuslichen Betreuung durch Hausärzte – eine intensivierte Betreuung erhalten, beispielsweise mit folgenden ergänzenden Komponenten:

  • Betreuung der Patienten durch spezialisierte Pflegekräfte;
  • strukturierte telefonische Betreuung;
  • Telemonitoring.

Starke Empfehlung

Evidenzbasis und Limitationen

Die Empfehlungen beruhen auf einer systematischen Recherche nach strukturierten Versorgungskonzepten und ihren Komponenten Spezialisierte Gesundheits- und Krankenpflege sowie Telemedizin; im Hintergrundtext wurde punktuell Literatur aus einer nicht-systematischen Updaterecherche 2019 ergänzt. Diese ergab 14 methodisch hochwertige Metaanalysen und systematische Übersichtsarbeiten, die die Effektivität der Interventionen bezüglich wiederholter Hospitalisierungen und anderer Endpunkte im Vergleich zur Standardversorgung untersuchen (Recherchedokumentation und Evidenztabellen: siehe Leitlinienreport der 2. Auflage 26924). Allerdings erschwert die starke Heterogenität der in die Übersichtsarbeiten eingeschlossenen Studien – sowohl hinsichtlich der Patientenpopulation, der Interventionen als auch der erzielten Effekte – ihre Vergleichbarkeit. Bei Konzepten mit mehreren Bestandteilen bleibt zudem unklar, welchen Komponenten in welchem Maße die Effekte des Programms zuzuschreiben sind.

Patientenauswahl

Da die in die vorliegenden Studien eingeschlossenen Patientenpopulationen sehr heterogen sind, lassen sich daraus keine Aussagen über diejenigen Patienten ableiten, die in strukturierte Programme eingeschlossen werden sollen. Die Autoren sprechen sich dafür aus, alle Patienten mit Herzinsuffizienz in ein strukturiertes Programm einzuschließen, aber Patienten mit ungünstiger Prognose (z. B. höhere NYHA-Klasse, kardiale und nicht-kardiale Komorbiditäten wie z. B. Hypotonie oder Diabetes mellitus, klinische Befunde u. a., siehe Kapitel 2.3 Prognosefaktoren) engmaschiger und intensiver zu betreuen 25512, 26111, 26112, 26113.

Evidenzlage: Strukturierte Versorgungskonzepte

Als essenzielle Bestandteile strukturierter Versorgungskonzepte gelten eine leitliniengerechte Diagnostik und Therapie inklusive der Beachtung psychosozialer Aspekte 25512 sowie die fach- und sektorenübergreifende, koordinierte multidisziplinäre Versorgung mit regelmäßigen Kontrollterminen (siehe Kapitel 3.4 Verlaufskontrolle) 25512, 24950. In einer Metaanalyse führte die multidisziplinäre Betreuung nach drei bis sechs Monaten zu einer signifikanten Reduktion von Rehospitalisierungen (RR 0,70 (95% KI 0,55; 0,89); ARR 15,48% (auf 100 Patienten wurden 15 Fälle verhindert), NNT 7) und Mortalität (RR 0,56 (95% KI 0,34; 0,92); ARR 6,51%, NNT 16) 24862. Als weiterer wichtiger Bestandteil strukturierter Konzepte wird die kontinuierliche Schulung von Patienten und auch Angehörigen erachtet, da sie zur Verbesserung von Selbstmanagementfähigkeiten und Adhärenz beitragen können (Schulungsinhalte siehe Tabelle 13) 25512. Dies deckt sich mit Empfehlungen aus anderen Indiktionsgebieten, die auch auf die Notwendigkeit der kontinuierlichen bzw. wiederholten Schulungen verweisen (z. B. NVL Typ-2-Diabetes (zurzeit in Überarbeitung), NVL Chronische KHK 28150; NVL Asthma 28650).

Strukturierte Konzepte für Patienten mit Herzinsuffizienz umfassen neben dem direkten Arzt-Patienten-Kontakt zumeist weitere Komponenten, z. B. Hausbesuche, telefonische Betreuung und/oder Telemonitoring (siehe unten). Eine Metaanalyse von 43 Studien mit 10 863 Patienten ergab für kombinierte Nachsorgeprogramme eine signifikante Risikoreduktion für Rehospitalisierungen (RR 0,92 (95% KI 0,87; 0,98); ARR 1,91%, NNT 53) im Vergleich zur Standardversorgung, und 11% weniger Patienten mussten die Rettungsstelle aufsuchen (45,34% vs. 34,25%, ARR 11,09%, NNT 10) 24842.

Aufgrund der unterschiedlichen Gesundheitssysteme sind internationale Studienergebnisse auf die Versorgung in Deutschland nur eingeschränkt übertragbar. Eine systematische Recherche nach strukturierten Konzepten aus Deutschland ergab jedoch, dass im Wesentlichen die gleichen Komponenten im Rahmen randomisierter Studien untersucht wurden (z. B. INH 25484, HICMan 25506, HITEL 25585, IN-TIME 25495, TIM-HF 25499, OptiLink-HF 25486 ufm.) und in durch Krankenkassen initiierten Programmen angewendet wurden und werden (z. B. Corbene (BKK), Curaplan Herz Plus (AOK), ProHeart@ (KKH) ufm.).

Eine Priorisierung möglicher ergänzender Komponenten strukturierter Programme wurde durch die Autoren der Leitlinie nicht vorgenommen, da bei der Auswahl neben der vorhandenen Evidenz auch die regionale Verfügbarkeit, Präferenzen der Patienten und Erwägungen zur Adhärenz relevant sein können.

12.3.1 Spezialisierte nicht-ärztliche Versorgung

Die spezialisierte nicht-ärztliche Versorgung ist international häufig Bestandteil strukturierter Konzepte zur Versorgung von Herzinsuffizienzpatienten. Die Aufgaben der spezialisierten Gesundheits- und Krankenpfleger (Nurse practitioners) umfassen dabei – in unterschiedlicher Kombination und Ausprägung – die Koordination der Versorgung (inklusive der Entlassungsplanung bei klinikbasierten Ansätzen), Verlaufskontrollen (persönlich, telefonisch oder elektronisch), Titrierung von Medikamenten und die Unterstützung der Patienten und deren Angehörige bei der Integration des komplexen Krankheitsmanagements in den Alltag. Ein besonderer Aufgabenschwerpunkt liegt zudem auf der Patientenedukation (Schulung, Beratung, Information), die laut Krankenpflegegesetz einen expliziten Aufgabenbereich examinierter Pflegekräfte in Deutschland darstellt (vgl. KrPflG 2003, §3).

Eine systematische Recherche nach Übersichtsarbeiten zur spezialisierten nicht-ärztlichen Versorgung zeigt deren Effektivität: 24898, 24862, 24849, 24844, 24837. So wurden in der Metaanalyse von Studien, in denen Hausbesuche durch spezialisierte Pflegekräfte oder Apotheker erfolgten, Rehospitalisierungen insgesamt signifikant reduziert (RR 0,75 (95% KI 0,68; 0,86); ARR 10,11%, NNT 10) und es ergab sich ein Mortalitätsbenefit (RR 0,77 (95% KI 0,60; 0,997); ARR 3,12%, NNT 33) 24862.

Auch in Deutschland wurden Versorgungsmodelle, die eine spezialisierte nicht-ärztliche Betreuung der Herzinsuffizienz-Patienten als Haupt- oder Nebenkomponente enthielten, in randomisierten Studien eingesetzt 25484, 25506, 25497, 12640, 25499, 25489, 25585 u. a.), und spezialisierte Pflegekräfte sind aktuell auch Bestandteil einiger staatlicher oder durch Krankenkassen initiierter Versorgungsprogramme (z. B. CCS Telehealth Ostsachsen, Cordiva®, Heitel, HerzNetzKöln u. a.).

Neben der Versorgung durch spezialisierte Gesundheits- und Krankenpfleger ist grundsätzlich auch die Betreuung der Patienten durch speziell qualifizierte medizinische Fachangestellte ("Versorgungsassistentinnen" o. Ä.) denkbar.

12.3.2 Telefonische Betreuung

Die strukturierte telefonische Betreuung von Patienten ist häufig Bestandteil von Programmen für chronisch Kranke. Die teils klinikbasierten, teils ambulanten Angebote zielen auf die wiederholte Schulung und Beratung der Patienten, um deren Fähigkeit zum Selbstmanagement zu verbessern. Zum anderen dient die telefonische Betreuung der regelmäßigen Verlaufskontrolle ("Telefonmonitoring"), so dass drohende Dekompensationen frühzeitig erkannt werden können. Eine systematische Recherche nach Übersichtsarbeiten erbrachte folgende Ergebnisse zur Effektivität dieser Art der Patientenbetreuung: Drei jüngere Metaanalysen 24911, 24857, 24862 kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass Interventionen dieser Art sowohl die Gesamtmortalität als auch herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierungen reduzieren. In der Arbeit von Inglis et al. sank die Gesamtmortalität um relativ 13% (RR 0,87 (95% KI 0,77; 0,98); ARR 1,37%, NNT 73) und die Rate an herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierungen um relativ 15% (RR 0,85 (95% KI 0,77; 0,93); ARR 3,17%, NNT 32) 24911. Jedoch ist es nicht möglich zu differenzieren, auf welche Komponenten der telefonischen Betreuung (intensivere Schulung und Beratung, Monitoring klinischer Parameter, Einsatz spezialisierter Gesundheits- und Krankenpfleger, die in den meisten Fällen die telefonische Betreuung übernahmen) die beobachteten Effekte zu welchen Anteilen zurückzuführen sind.

Auch in Deutschland ist telefonische Betreuung als Element strukturierter Konzepte in randomisierten Studien untersucht worden (25484, 25497, 12640, 25499, 25489 u. a.). Zudem beinhaltet ein Großteil der aktuell laufenden deutschen Versorgungsprogramme für Herzinsuffizienzpatienten regelmäßigen Telefonkontakt, zumeist durch nicht-ärztliches Personal.

Von der strukturierten telefonischen Betreuung in festgelegten Intervallen ist die Möglichkeit der Kontaktaufnahme im individuellen Bedarfsfall zu unterscheiden: Viele Programme beinhalteten zusätzlich eine Telefon-Hotline, die den Patienten rund um die Uhr die Kontaktaufnahme zu Ärzten oder Pflegekräften ermöglichte 24862, 25512.

12.3.3 Telemonitoring

Im Ergebnis einer systematischen Recherche zur Effektivität von Telemonitoring bei Patienten mit Herzinsuffizienz zeigte sich eine starke Heterogenität der Interventionen und der beobachteten Patientenkollektive. Dies und die Kombination von telemedizinischen mit anderen Programmbestandteilen erschweren die Interpretation der Studienergebnisse.

Nicht-invasives Telemonitoring

Als nicht-invasives Telemonitoring wird die Überwachung der Vitaldaten der Patienten (Körpergewicht, Blutdruck u. a.) bezeichnet, die entweder aktiv durch den Patienten per Telefon oder Internet übermittelt oder automatisch drahtlos über telemetrische Geräte übermittelt werden.

Eine Metaanalyse von Kotb et al. ergab signifikante Effekte bezüglich Gesamtmortalität (OR 0,52 (95% KI 0,37; 0,72)), Hospitalisierungen insgesamt (OR 0,70 (95% KI 0,51; 0,96)) und herzinsuffizienzbedingten Hospitalisierungen (OR 0,70 (95% KI 0,51; 0,98)) 24857, und auch in einem aktuellen Cochrane-Review führte nicht-invasives Telemonitoring zu einer reduzierten Gesamtmortalität (RR 0,80 (95% KI 0,68; 0,94); ARR 2,49%, NNT 41) und weniger herzinsuffizienzbedingten Hospitalisierungen (RR 0,71 (95% KI 0,60; 0,83); ARR 7,44%, NNT 14) 24911. Im systematischen Review von Flodgren et al. 24845 zeigte sich nach drei Monaten hingegen lediglich eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität, aber kein Effekt bezüglich Mortalität und Hospitalisierungsraten.

Aussagen zur Überlegenheit bestimmter Technologien gegenüber anderen lassen sich derzeit noch nicht mit Bestimmtheit treffen; jedoch scheint Telemonitoring, das keine Eigeninitiative des Patienten erfordert (wie z. B. Aufrufen von Internetseiten, Eingabe von Werten o. Ä.), die besseren Effekte zu erbringen 24852.

Ein höheres Alter der Patienten scheint den Einsatz von Telemedizin nicht zu limitieren: In einer Auswertung nach Altersgruppen im o. g. Cochrane-Review wurden bei älteren Patienten (≥ 70 Jahre) durch nicht-invasives Telemonitoring mehr herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierungen verhindert als bei Jüngeren (< 70 Jahre) (RR 0,53 vs. RR 0,75) 24911.

In Deutschland ist nicht-invasives Telemonitoring mittels telemetrischer Waagen, Blutdruckmess- und EKG-Geräten eine Komponente vieler von Krankenkassen aufgelegter Versorgungsprogramme für Herzinsuffizienz-Patienten. Auch mehrere randomisierte Studien untersuchten Telemonitoring im deutschen Kontext: In der TEN-HMS-Studie war nicht-invasives Telemonitoring effektiver als die Standardtherapie (herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierungen nach 240 Tagen: ARR 8%, NNT 12), nicht aber als Telefonmonitoring durch eine spezialisierte Krankenschwester 12640. In der TIM-HF-2-Studie wurde bei einer eng umschriebenen Population (Hospitalisierung < 12 Monate, Ausschlusskriterium schwere Depression) der primäre Endpunkt "verlorene Tage durch kardiovaskuläre Hospitalisierung oder Tod pro Jahr" knapp erreicht (17,8 vs. 24,2 Tage, RR 0,80 (95% KI 0,65; 1,00); p = 0,0460). Allerdings umfasste die Intervention zusätzlich monatliche Telefonate, eine Patientenschulung und die Kooperation zwischen telemedizinischem Zentrum und Hausarzt bzw. ambulant behandelndem Kardiologen, so dass die Effekte vermutlich weniger auf das Telemonitoring an sich, sondern auf die engmaschige strukturierte Versorgung zurückzuführen sind. 28999

Invasives Telemonitoring

Invasives Telemonitoring umfasst zum einen die Übertragung klinisch relevanter Systeminformationen durch aus therapeutischen Gründen implantierte Geräte (ICD, Herzschrittmacher), zum anderen speziell zum Zweck der Überwachung implantierte Ereignisrekorder, die stetig Vitaldaten messen und bei Überschreiben von Grenzwerten automatisch einen Alarm im angeschlossenen Netzwerk auslösen.

Für das invasive Telemonitoring von Patienten mit ICD bzw. ICD-CRT ergab sich in der IN-TIME-Studie ein signifikanter Vorteil (Reduktion der Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Patienten (Packer-Score) ARR 8%, NNT 12). 25495 Ein systematischer Review des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zum Nutzen von Telemonitoring mithilfe implantierbarer Aggregate erbrachte keine signifikanten Vorteile für Mortalität und Hospitalisierungen und bewertet den Nutzen des Telemonitorings mittels aktiver implantierbarer Aggregate als unklar. 28998 Allerdings umfasste die Analyse auch Studien, die keine Verknüpfung der Datenübertragung mit medizinischen Interventionen vorsahen. Ein Rapid Review des IQWiG, der die Effektivität von Telemonitoring im Kombination mit einem zeitnahen datengestützten Management untersuchte, wertete invasives und nicht-invasives Telemonitoring nicht separat aus. 29773

Studien zur Thoraximpedanzmessung konnten bislang keinen zusätzlichen Benefit zeigen (CONNECT-Optivol 25501; OptiLink-HF 25486). Auch für hämodynamisches Telemonitoring, das auf der Überwachung des rechts- oder linksventrikulären oder des pulmonalarteriellen Drucks mittels eines implantierten Sensors beruht, gibt es zunehmende Evidenz 26765, 26773. Für die Zukunft können solche Monitoringverfahren für die Betreuung von herzinsuffizienten Patienten in spezialisierten Zentren eine Rolle spielen.

Zusammenfassend kann Telemedizin helfen, Warnsignale frühzeitig zu erkennen, so dass rechtzeitig interveniert und drohende Hospitalisierungen verhindert werden können. Studien zu telemedizinischen Interventionen, die positive Effekte erbrachten, umfassten jedoch jeweils eine an die Datenübermittlung anschließende strukturierte Intervention und ärztliche Begleitung. Somit stellt Telemedizin lediglich eine ergänzende Komponente im Rahmen einer strukturierten Versorgung für ausgewählte Patienten dar und ersetzt nicht den direkten Kontakt zu Ärzten bzw. nicht-ärztlichen Ansprechpartnern.

NVL Chronische Herzinsuffizienz, Version 4.0, 2023

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zuletzt verändert: 12.12.2023 | 09:20 Uhr