NVL Nicht-spezifischer Kreuzschmerz, 2. Auflage

7 Invasive Therapie

Bei Erfolglosigkeit der evidenzbasierten nicht-invasiven Therapie stellt sich häufig die Frage der Anwendung invasiver Therapiemaßnahmen. Aufgrund der unten dargestellten mangelnden Evidenz bei nicht-spezifischen Kreuzschmerzen muss dies an den Nachweis überzeugender Gründe in der Diagnostik (Anamnese, Klinik, ggf. Bildgebung) gekoppelt sein (siehe Kapitel 3 Diagnostik).

Die erhobenen radiologischen Befunde bedürfen einer vorsichtigen Interpretation. So sind gerade die häufigen degenerativen Veränderungen, insbesondere wenn keine eindeutige radikuläre Begleitsymptomatik vorliegt, nur im Gesamtkontext der Beschwerden zu sehen. Zudem ist die Degeneration der Wirbelsäule ein physiologischer Prozess, der mit zunehmendem Alter stattfindet. Wieviel Degeneration in jedem Alter "normal" ist, ist nur ansatzweise bekannt 5996. Nicht jede degenerative Veränderung wird für den Patienten symptomatisch und erfordert eine spezifische oder sogar invasive Therapie. Zum anderen besitzen spezifische degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (z. B. Bandscheibendegeneration, Osteochondrose, Facettengelenksarthrose, SIG-Arthrose, Spinalkanalstenose, radikuläre Pathologien) durchaus das Potential, typische spezifische klinische Beschwerden auszulösen. Die Korrelation der objektivierbaren Degeneration mit der klinischen Symptomatik ist somit entscheidend bei der Diskussion der Therapieform. Das Ausmaß der Diagnostik der Schmerzen muss abhängig von den therapeutischen und prognostischen Konsequenzen sein. Das alleinige Wissen um eine strukturelle Diagnose ohne therapeutische Konsequenz kann beim Betroffenen zu einer unangebrachten Angst vor Fehlbelastung der Wirbelsäule oder zu Sorgen um die persönliche/berufliche Zukunft und zu einer damit verbundenen zu starken Schonung der Wirbelsäule führen. Eine umfassende Wertung und Ableitung von Handlungsempfehlungen zu spezifischem Kreuzschmerz ist allerdings nicht Gegenstand dieser Leitlinie.

7.1 Perkutane Verfahren

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

7-1

Perkutane Therapieverfahren sollen zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden.

Literatur 24199, 24582, 24346, 24370, 24525, 24456, 24633, 24497, 9437

Starke Negativ-Empfehlung

Perkutane Therapieverfahren (siehe Tabelle 10) an der Wirbelsäule kommen zunehmend häufiger zur Anwendung. Sie werden in Deutschland von interventionell tätigen Fachärzten (z. B. der Orthopädie, Anästhesie, Neurochirurgie oder Radiologie und zum Teil auch der Allgemeinmedizin) durchgeführt. Nebenwirkungen und Komplikationen der Verfahren sind insgesamt selten, beim Eintritt aber häufig mit erheblichen Gefahren und Folgebelastungen für die Patienten verbunden. Das Einhalten hygienischer Standards und die Befähigung, Komplikationen adäquat zu versorgen, sind daher Voraussetzung für die Anwendung perkutaner Verfahren.

Für die Anwendung von perkutanen Therapieverfahren bei akuten nicht-spezifischen Kreuzschmerzen konnten keine verlässlichen Daten identifiziert werden. Ebenso wurde auch für chronische nicht-spezifische Kreuzschmerzen keine eindeutigen Wirksamkeitsnachweise für die Anwendung der verschiedenen perkutanen Therapieverfahren gefunden 24199, 24582, 24346, 24370, 24525, 24456, 24633, 24497, 9437. Die Heterogenität der eingeschlossenen Patientengruppen, die geringe Fallzahl einzelner Studien, die häufig fehlende Unterscheidung in spezifische und nicht-spezifische Ursachen und die uneinheitlichen Kontrollinterventionen verschleiern die Möglichkeiten, spezielle Untergruppen zu erkennen, die evtl. von einem perkutanen Verfahren profitieren könnten. Die ebenfalls invasiven Verfahren Akupunktur und PENS werden in Kapitel 5 Nicht-medikamentöse Therapie behandelt.

Tabelle 10: Perkutane Therapieverfahren

Injektionen

  • Triggerpunkt (TP) Injektionen;
  • Prolotherapie;
  • Botulinumtoxin Injektion;
  • Injektionen an den Wirbelbogengelenken;
  • intradiskale Injektionen;
  • Injektionen in das sakroiliakale Gelenk (SIG);
  • epidurale Injektionen und Injektionen am Spinalnerv.

Denervationen mit Radiofrequenz (RF), elektrothermische und weitere Verfahren

  • Facettendenervation;
  • intradiskale elektrothermale Prozeduren;
  • spinale Cord Stimulation (SCS);
  • intrathekale Opioid-Gabe.

7.2 Operative Verfahren

Empfehlungen/Statements

Empfehlungsgrad

7-2

Operative Therapieverfahren sollen zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden.

Literatur 24630, 24441, 24532, 24476, 24527, 16477, 16478, 11742, 16485

Starke Negativ-Empfehlung

Operative Verfahren (siehe Tabelle 11) sind in jedem Fall an den Nachweis einer spezifischen Ursache der Kreuzschmerzen gebunden. Auch die ab einem bestimmten Lebensalter bei fast jedem Menschen nachweisbaren, vorwiegend degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule sind nicht automatisch mit einer kausalen Diagnose gleichzusetzen 24528. Die Korrelation der nachweisbaren degenerativen Veränderungen mit dem klinischen Bild ist entscheidend, jedoch nicht immer eindeutig und häufig bleibt unklar, ob ein radiologischer Befund eher als Zufallsbefund zu werten ist oder ob er für einen Teil der Beschwerden verantwortlich ist.

Für die Anwendung von operativen Therapieverfahren bei akuten und chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen liegen wurden keine verlässlichen Daten identifiziert. Die in der Literaturrecherche gefundenen Übersichtsarbeiten zu operativen Verfahren schließen mehrheitlich Studien zu Patienten mit spezifischen Kreuzschmerzen bzw. einem gemischten Patientenklientel ein 24630, 24441, 24532, 24476, 24527, 16477, 16478, 11742, 16485. Gezielte Untersuchungen für Patienten mit nicht-spezifischen Kreuzschmerzen wurden nicht gefunden.

Tabelle 11: Operative Verfahren

Operative Verfahren

  • Nukleotomie;
  • perkutane "Nukleotomie" mit verschiedenen Verfahren;
  • selektive Dekompression (ohne Spondylodese);
  • Fusionsoperation;
  • interspinöse Spacer;
  • andere dynamische Stabilisierungen;
  • Bandscheiben-Endoprothetik.
NVL Nicht-spezifischer Kreuzschmerz, 2. Auflage, 2017. Version 1

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